Montag, April 30, 2007

Die von Papst Pius X. vorgeschriebene Eidesformel gegen den Modernismus - Der Antimodernisteneid

Am 1. September 1910 wurde vom hl. Papst Pius X. in seinem Motu proprio «Sacrorum antistitum» für den gesamten Klerus, der in der Seelsorge oder im Lehrfach tätig war, die Ablegung eines Eides gefordert, in dem die Verwerfung aller wesentlichen modernistischen Irrtümer über Offenbarung und Überlieferung enthalten ist. Eben wegen seiner knappen Zusammenfassung der modernistischen Irrlehre ist er neben seiner disziplinären Bedeutung auch als Äußerung des kirchlichen Lehramtes wichtig. (Vgl. Neuner-Roos «Der Glaube der Kirche in den Urkunden der Lehrverkündigung» 64-74); (Denzinger 2145-2147).

Ich umfasse fest und nehme an alles und jedes einzelne, was vom irrtumslosen Lehramt der Kirche bestimmt, aufgestellt und erklärt ist, besonders die Hauptstücke ihrer Lehre, die unmittelbar den Irrtümern der Gegenwart entgegen sind.
Erstens: Ich bekenne, daß Gott, der Ursprung und das Ende aller Dinge, mit dem natürlichen Licht der Vernunft durch das, was geschaffen ist, d. h. durch die sichtbaren Werke der Schöpfung, als Ursache mittels der Wirkung, mit Sicherheit erkannt und auch bewiesen werden kann.
Zweitens: Ich anerkenne die äußeren Beweismittel der Offenbarung, d. h. die Werke Gottes, in erster Linie die Wunder und Prophezeiungen, als ganz sichere Zeichen des göttlichen Ursprungs der christlichen Religion. Ich halte fest, daß sie dem Geist aller Zeiten und Menschen, auch der Gegenwart, auf das beste angepaßt sind.
Drittens: Fest glaube ich, daß die Kirche, die Hüterin und Lehrerin des geoffenbarten Wortes, durch den wahren und geschichtlichen Christus selbst, während seines Lebens unter uns, unmittelbar und direkt eingesetzt, und daß sie auf Petrus, den Fürsten der apostolischen Hierarchie, und auf seine steten Nachfolger gebaut wurde.
Viertens: Ohne Rückhalt nehme ich die Glaubenslehre an, die von den Aposteln durch die rechtgläubigen Väter stets in demselben Sinn und in derselben Bedeutung bis auf uns gekommen ist. Deshalb verwerfe ich ganz und gar die irrgläubige Erfindung einer Entwicklung der Glaubenssätze, die von einem Sinn zu einem andern übergingen, der abweiche von dem Sinn, den die Kirche einst gemeint habe. Ebenso verwerfe ich jeden Irrtum, der das göttliche, der Braut Christi übergebene Vermächtnis, das von ihr treu bewahrt werden soll, durch eine Erfindung philosophischen Denkens oder durch eine Schöpfung des menschlichen Bewußtseins ersetzen will, das durch menschliches Bemühen langsam ausgebildet wurde und sich in Zukunft in unbegrenztem Fortschritt vollenden soll.
Fünftens: Als ganz sicher halte ich fest und bekenne aufrichtig, daß der Glaube nicht ein blindes religiöses Gefühl ist, das aus dem Dunkel des Unterbewußtseins im Drang des Herzens und aus der Neigung des sittlich geformten Willens entspringt, sondern daß er eine wahre Zustimmung des Verstandes zu der von außen durch Hören empfangenen Wahrheit ist, durch die wir auf die Autorität Gottes des Allwahrhaftigen hin für wahr halten, was uns vom persönlichen Gott, unserm Schöpfer und Herrn, gesagt, bezeugt und geoffenbart worden ist.
In schuldiger Ehrfurcht unterwerfe ich mich und mit ganzem Herzen schließe ich mich an allen Verurteilungen, Erklärungen, Vorschriften, wie sie im Rundschreiben «Pascendi» und im Entscheid «Lamentabili» enthalten sind, besonders, insoweit sie sich auf die sogenannte Dogmengeschichte beziehen. Auch verwerfe ich den Irrtum derer, die behaupten, der von der Kirche vorgelegte Glaube könne der Geschichte widerstreiten und die katholischen Glaubenssätze könnten in dem Sinn, in dem sie jetzt verstanden werden, mit den Ursprüngen der christlichen Religion, wie sie wirklich waren, nicht in Einklang gebracht werden.
Ich verurteile und verwerfe auch die Auffassung derer, die sagen, ein gebildeter Christ führe ein Doppeldasein, das Dasein des Gläubigen und das Dasein des Geschichtsforschers, als ob es dem Geschichtsforscher erlaubt wäre, festzustellen, was der Glaubenswahrheit des Gläubigen widerspricht, oder Voraussetzungen aufzustellen, aus denen sich ergibt, daß die Glaubenssätzefalsch oder zweifelhaft sind, wenn man sie nur nicht direkt leugnet.
Ich verwerfe ebenso eine Weise, die Heilige Schrift zu beurteilen und zu erklären, die die Überlieferung der Kirche, die Entsprechung zum Glauben («analogia fidei») und die Normen des Apostolischen Stuhls außer acht läßt, die sich den Erfindungen der Rationalisten anschließt und die Textkritik ebenso unerlaubt wie unvorsichtig als einzige oberste Regel anerkennt.
Auch die Auffassung derer verwerfe ich, die daran festhalten, ein Lehrer der theologischen Geschichtswissenschaften oder ein Schriftsteller auf diesem Gebiet müsse zuerst jede vorgefaßte Meinung vom übernatürlichen Ursprung der katholischen Überlieferung oder von einer Verheißung der göttlichen Hilfe zur steten Bewahrung einer jeden geoffenbarten Wahrheit ablehnen. Die Schriften der einzelnen Väter müßten nach rein wissenschaftlichen Grundsätzen erklärt werden unter Ausschluß jeder kirchlichen Autorität und mit derselben Freiheit des Urteils, mit der man jedes außerkirchliche Denkmal der Geschichte erforscht. Endlich bekenne ich ganz allgemein: Ich habe nichts zu schaffen mit dem Irrtum, der die Modernisten glauben läßt, die heilige Überlieferung enthalte nichts Göttliches, oder, was noch viel schlimmer ist, der sie zu einer pantheistischen Deutung der Überlieferung führt, so daß nichts mehr übrigbleibt als die nackte, einfache Tatsache, die in einer Linie steht mit den gewöhnlichen Geschehnissen der Geschichte, die Tatsache nämlich, daß Menschen durch ihre eigenen Bemühungen, durch ihre Sorgfalt und Einsicht die von Christus und seinen Aposteln begonnene Schule in den nachfolgenden Zeitabschnitten fortsetzten. So halte ich denn fest und bis zum letzten Hauch meines Lebens werde ich festhalten den Glauben der Väter an die sichere Gnadengabe der Wahrheit, die in der Nachfolge des bischöflichen Amtes seit den Aposteln ist, war und immer sein wird, so daß nicht das Glaubensgegenstand ist, was entsprechend der Kultur eines jeden Zeitabschnittes besser und passender scheinen könnte, sondern daß niemals in verschiedener Weise geglaubt, nie anders verstanden wird die absolute, unabänderliche Wahrheit, die seit Anfang von den Aposteln gepredigt wurde. Ich gelobe, daß ich das alles getreu, unversehrt und rein beobachten und unverletzt bewahren, daß ich in der Lehre oder in jeder Art von Wort und Schrift nie davon abweichen werde. So gelobe ich, so schwöre ich, so helfe mir Gott und dieses heilige Evangelium Gottes.


Vorausgehend veröffentlicht in «DAS ZEICHEN MARIENS», 1. Jahrgang, Nr. 4, August 1967, Seite 53

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