Wir bekennen [demnach] unseren Herrn Jesus Christus als den eingeborenen Sohn Gottes, der seiner Gottheit nach vor aller Zeit und ohne Anfang vom Vater gezeugt ist, aber auch in den jüngsten Tagen aus Maria der heiligen Jungfrau Fleisch angenommen hat und vermöge einer vernünftigen Seele sowie vermöge der Annahme eines Leibes wahrer Mensch geworden ist: nach seiner Gottheit wesensgleich mit dem Vater, nach seiner Menschheit wesensgleich mit uns. Denn es wurde auf eine unaussprechbare Weise eine Vereinigung zweier unversehrter Naturen hervorgebracht, weshalb wir einen und denselben Christus, den Gottes- und Menschensohn, als den Eingeborenen vom Vater (Joh 1,14) und als den Erstgeborenen aus den Toten (Kol 2,18) bekennen. Wir glauben, dass er in seiner Gottheit, vermöge deren er mit dem Vater gleich ewig ist, der Schöpfer aller Dinge wurde und in seiner Herablassung sich auf geheimnisvolle Weise aus der heiligen Jungfrau einen Tempel erbaute, nachdem dieselbe ihre Einwilligung gegeben hatte, indem sie zu dem Engel sprach: "Ich bin eine Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Worte (Lk 1,38)!" Und er hat diesen Tempel sogleich im ersten Augenblicke (seiner Zubereitung) mit sich vereinigt und keineswegs als einen aus seiner eigenen Substanz gebildeten Körper vom Himmel mit herabgebracht, sondern aus der Masse der menschlichen Substanz, beziehungsweise aus der heiligen Jungfrau angenommen. Aber da es einen Leib annahm und mit sich vereinigte, wurde Gott das Wort nicht in Fleisch verwandelt, noch hat es, während es seine (göttliche) Natur ohne Wechsel und Wandel beibehielt, die Erstlinge unserer Natur bloß als ein Scheinding, das sichtbar geworden wäre, mit sich verbunden. Vielmehr hat sich das Urprinzip, Gott das Wort, vermöge seiner großen Güte gewürdigt, die Erstlinge unserer Natur gerade in dem Zustande, indem wir diese Natur besitzen, mit sich zu verbinden; denn nicht in einer Vermischung, sondern als der Eine und als das nämliche Selbst in zwei Substanzen ist er offenbar geworden, weshalb auch geschrieben steht: "Zerstöret diesen Tempel, und nach drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten (Joh 2,19)!" Es wird nämlich Christus Jesus zerstört nach derjenigen Substanz, die er angenommen hat; seinen zerstörten Tempel aber richtet er wieder auf, und er tut es nach seiner göttlichen Substanz, nach welcher er auch der Hervorbringer aller Dinge ist. Niemals aber hat er sich vermöge der Auferstehung unserer mit ihm vereinigten Natur wieder von seinem Tempel getrennt, noch kann er sich vermöge seiner unaussprechlichen Güte jemals von ihm trennen. Doch ist Christus unser Herr zugleich leidensfähig und leidensunfähig: leidensfähig nach seiner Menschheit, leidensunfähig nach seiner Gottheit. Es hat also Gott das Wort seinen Tempel wieder aufgerichtet und an sich die Auferstehung und Neubelebung unserer Natur bewirkt. Und diese Natur hat Christus der Herr, unser Gott, als er von den Toten auferstanden war, seinen Jüngern wieder gezeigt, indem er dabei sprach: "Berühret mich und blicket her; denn ein Geist besitzt nicht Fleisch und Gebein, wie ihr sehet, dass ich sie besitze (Luk 24,39)!" Seine Worte lauteten nicht: "wie ihr sehet, dass ich es bin", sondern: "wie ihr sehet, dass ich besitze", - damit du, sowohl denjenigen betrachtend, der besitzt, als denjenigen, der besessen wird, erkennen mögest, dass nicht eine Vermischung, nicht eine Wesensumwandlung, nicht eine Veränderung, sondern eine Vereinigung hervorgebracht wurde. Der Zweck, um dessenTaillen er die Nägelwunden und den Lanzenstich vorzeigte oder mit seinen Jüngern aß, war gerade der, (durch diese Dinge) auf jede Weise darzutun, dass es gänzlich nur unsere Natur war, deren Wiederauferstehung zu einem neuen Leben sich an ihm vollzog. Und weil er nach der seligen Substanz der Gottheit unwandelbar, unveränderlich, leidensunfähig und unsterblich ist und niemandes bedarf, sondern vielmehr selber allen das Dasein gibt, so hat er aus freiem Willen gestattet, dass seinem Tempel Leiden zugefügt würden, hat aber nachher denselben aus eigener Kraft wieder aufgerichtet; die Wiederherstellung seines Tempels aber, die er selber vollbrachte, ist nichts anderes als eine Wiedererneuerung unserer Natur.
Diejenigen also, die sagen, Christus sei ein ätherischerMensch, oder Gott sei dem Leiden unterworfen, oder er habe sich in Fleisch verwandelt, oder er habe keinen zur Einheit mit sich verbundenen Leib besessen, oder er habe seinen Leib mit vom Himmel herabgebracht, oder es sei dieser Leib nur eine Scheingestalt gewesen, oder das Wort, das diesen Leuten nur als sterblicher Gott gilt, habe es nötig gehabt, dass es vom Vater wieder auferweckt werde, oder es habe dasselbe einen Leib ohne Seele oder den Menschen ohne Empfindung angenommen, oder die beiden Substanzen Christi seien, durch Mischung miteinander vermengt, zu einer einzigen Substanz geworden: Diejenigen, die nicht bekennen, dass in unserem Herrn Jesus Christus zwei unvermischte Naturen sind, aber nur eine einzige Person, weshalb er auch nur ein Christus und nur ein Sohn ist, alle diese sind dem Bannfluch der katholischen und apostolischen Kirche verfallen.
Aus: Summa Pontificia - Lehren und Weisungen der Päpste durch zwei Jahrtausende - Band I - Eine Dokumentation ausgewählt und herausgegeben von P. Amand Reuter O.M.I., 1978, Verlag Josef Kral, Abensberg, Seiten 102 und 103
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