Freitag, Oktober 05, 2007

Die rechte Lehre über Christus, Gott und Mensch



Unter Gottes Führung fürwahr werden wir zum Maß des rechten Glaubens gelangen, den die Apostel der Wahrheit mit der Meßschnur der heiligen Schriften ausgebreitet haben, mit dem Bekenntnis, dass der Herr Jesus Christus, der Mittler zwischen Gott und den Menschen, göttliche Werke vollbracht hat, mit der mit dem göttlichen Worte wesenhaft vereinigten Menschheit, und dass derselbe Menschliches gewirkt hat, da er in unaussprechlicher und einzigartiger Weise Fleisch angenommen hatte, unterschiedlich, unvermischt und unverwechselbar, mit der vollen Gottheit. Und der im vollen Fleische mit göttlichen Wunderzeichen geglänzt hat, er ist, auch fleischlich geworden, völlig Gott und Mensch. Leiden und Schmähungen erduldet der eine Mittler zwischen Gott und den Menschen in beiden Naturen, das Wort, das Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat, er, der Menschensohn, der vom Himmel herabsteigt, ein und derselbe, wie geschrieben steht, gekreuzigt als Herr der Herrlichkeit, da doch feststeht, dass die Gottheit keine menschlichen Leiden erdulden kann; auch ward sein Fleisch nicht vom Himmel angenommen, sondern von der heiligen Gottesgebärerin. Denn so sagt die Wahrheit selbst im Evangelium: "Keiner ist in den Himmel hinaufgestiegen als nur der Menschensohn, der vom Himmel herabgstiegen ist, der im Himmel ist" (Joh 3,13); womit er uns sicherlich lehrt, dass das leidensfähige Fleisch in unaussprechlicher und einzigartiger Weise mit der Gottheit vereint ist, so dass es unterschieden und unvermischt, und ebenso ungeteilt verbunden zu sein schien. So soll ohne Zweifel mit erstauntem Geiste erkannt werden, dass sie vereinigt werden, während wunderbarerweise die Unterschiede der beiden Naturen bleiben. In Übereinstimmung damit schreibt der Apostel an die Korinther: "Wir verkündigen (auch) Weisheit bei den Vollkommenen, aber nicht die Weisheit dieser Welt, noch der Fürsten dieser Welt, die zunichte werden. Vielmehr verkündigen wir Gottes Weisheit, im Geheimnis verborgen, die Gott vor aller Zeit zu unserer Verherrlichung bestimmt hat. Die hat keiner der Fürsten dieser Welt erkannt; denn wenn sie dieselbe erkannt hätten, würden sie niemals den Herrn der Herrlichkeit ans Kreuz geschlagen haben" (1 Kor 2,6-8). Freilich konnte die Gottheit weder gekreuzigt werden, noch menschliche Leiden erfahren oder erdulden; aber wegen der unaussprechlichen Verbindung der menschlichen und göttlichen Natur, darum wird auch beiderorts gesagt; dass Gott Leiden erduldet, und dass die Menschheit vom Himmel mit der Gottheit herabgestiegen ist.

So bekennen wir also auch einen Willen unseres Herrn Jesus Christus, weil nämlich von der Gottheit unsere Natur angenommen worden ist, nicht die Schuld; jene nämlich, die vor der Sünde geschaffen wurde, nicht die, welche nach der Übertretung verderbt war. Denn Christus der Herr, der in der Gestalt des sündigen Fleisches kam, hat die Sünde der Welt hinweggenommen, und von seiner Fülle haben wir alle empfangen; und da er Knechtsgestalt annahm, ward er im Äußeren als ein Mensch befunden (vgl Röm 8,3; Phil 2,7); und weil er ohne Sünde vom Heiligen Geist empfangen war, ist er auch ohne Sünde von der heiligen und unbefleckten Jungfrau und Gottesgebärerin geboren worden, ohne eine Ansteckung der verderbten Natur zu erfahren. Das Wort "Fleisch" wird nämlich, wie wir wissen, in den heiligen Schriften auf zwei Arten und Weisen genannt, im Guten und im Bösen, wie geschrieben steht: "Mein Geist wird nicht in diesen Menschen bleiben, denn sie sind ja Fleisch" (Gen 6,3). Und der Apostel: "Fleisch und Blut werden das Reich Gottes nicht besitzen" (1 Kor 15,50). Und wieder: "Mit dem Geiste diene ich dem Gesetze Gottes, mit dem Fleische aber dem Gesetze der Sünde. Aber ich gewahre ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das dem Gesetze meines Geistes widerstreitet und mich gefangenhält unter dem Gesetze der Sünde, das in meinen Gliedern ist" (Röm 7,22-23). Und viele andere Stellen dieser Art pflegen unbedingt im Bösen verstanden oder angeführt zu werden. Im Guten aber so, wie der Prophet Isaias sagt "Alles Fleische wird nach Jerusalem kommen, und sie werden anbeten vor mir" (Is 66,23). Und Job: "In meinem Fleische werde ich Gott schauen" (Job 19,26). Und andere: "Alles Fleisch wird das Heil Gottes schauen" (Lk 3,6). So ist also, wie wir vorher gesagt habe, vom Erlöser nicht die verderbte Natur angenommen worden, die dem Gesetze seines Geistes widerstritte; er ist vielmehr gekommen, "um zu suchen und zu retten, was verloren war" (Lk 19,10), da heißt, die verderbte Natur des Menschengeschlechtes. Denn es war kein anderes Gesetz in seinen Gliedern, noch ein verschiedener Wille, oder ein dem Erlöser entgegengesetzter, weil er über das Gesetz der menschlichen Beschaffenheit hinaus geboren worden ist. Und wenn geschrieben steht: "Ich bin nicht gekommen, um meinen Willen zu tun, sondern den des Vaters, der mich gesandt hat" (Jo 6,38-40); und: "Nicht was ich will, sondern was du willst, Vater" (Mk 14,36), und andere dieser Art, so bezieht sich das nicht auf einen verschiedenen Willen, sondern auf die Anordnung der angenommenen Menschheit. Dies alles ist nämlich unseretwegen gesagt, denen er ein Beispiel gegeben hat, damit wir seinen Spuren folgen, der liebevolle Meister, der seine Jünger anstecken wollte, dass nicht ein jeder von uns seinen eigenen, sondern vielmehr in allen Dingen den Willen des Herrn vollziehen sollte.

Laßt uns also auf dem königlichen Wege einherschreiten und die rechts- oder linkshin ausgelegten Schlingen der Jäger vermeiden, damit wir unseren Fuß nicht an einen Stein stoßen, und den Idumäern, da heißt, den irdisch Gesinnten, und den Irrlehrern ihr Eigenes überlassen, und nicht einmal mit einem Tritt des Fußes unseres Sinnes die Erde, das heißt, ihre verkehrte Lehre, auch nur anrühren, damit wir zu dem gelangen können, wohin wir streben, das heißt, zum Vaterland, auf der Spur unserer Anführer wandelnd. Und wenn vielleicht einige es sozusagen mit Stottern darlegen, wenn sie keine Vortragskünstler sind, die sich nach dem Muster der Gelehrten bilden, dass sie die Geister der Zuhörer verseuchen könnten - so darf man das nicht auf die kirchlichen Lehrsätze zurückwenden, was offenbar weder die synodalen Spitzen, die darüber Untersuchungen anstellen, noch die kanonischen Autoritäten erklärt haben, dass jemand sich anmaßt, eine oder zwei Wirkkräfte (Energien) Christi des Herrn zu predigen, die weder die evangelischen oder apostolischen Schriften, noch die darüber angestellte synodale Untersuchung bestimmt zu haben scheinen; es sei denn, dass, wie wir vorher gesagt haben, einige etwas mit Stottern gelehrt haben, die sich herablassen, Geist und Verstand der Kleinen zu untreweisen; das aber darf nicht zu den kirchlichen Lehrsätzen hingezogen werden, was ein jeder der eigenen Überzeugung gemäß (vgl Röm 14,5), nach seiner Meinung zu erklären scheint. Denn dass der Herr Jesus Christus, der Sohn und das Wort Gottes, durch das alles geworden ist (Jo 1,3), ein und derselbe ist, der Göttliches und Menschliches vollbringt, davon sind die heiligen Schriften voll und beweisen es aufs deutlichste. Ob aber wegen der Werke der Gottheit und der Menschheit eine oder zwei Tätigkeiten abgeleitete und erklärt oder verstanden werden müssen, das darf uns nichts angehen, das überlassen wir den Sprachlehrern, die den Kleinen durch Ableitung ausgesuchte Namen zu verkaufen pflegen. Wir haben nämlich den Herrn Jesus Christus und seinen Heiligen Geist nicht als eine oder zwei Wirkungen in den heiligen Schriften wahrgenommen, sondern haben bemerkt, dass er auf vielfache Weise gewirkt hat. Denn es steht geschrieben: "Wenn einer den Geist Christi nicht hat, gehört er ihm nicht an" (Röm 8,9). Und anderswo: "Niemand kann sagen: Herr Jesus, außer im Heiligen Geiste. Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber es ist derselbe Geist. Es gibt verschiedene Ämter, aber es ist derselbe Herr. Es gibt verschiedene Kraftwirkungen, aber es ist derselbe Gott, der alles in allen wirkt" (1 Kor 12,3-6).

Wenn nämlich die verschiedenen Kraftwirkungen viele sind, und Gott diese alle in allen Gliedern des ganzen Leibes bewirkt, um wieviel mehr kann das auf unser Haupt, Christus den Herrn, auf das vollste angewandt werden, dass Haupt und Leib eine vollendete Einheit bilden, bis er, wie geschrieben steht, "zur Mannesreife gelangt, zum Vollmaße des Alters Christi" (Eph 4,13). Denn wenn der Geist Christi in den andern, das heißt, in seinen Gliedern, vielfältig tätig ist, der, in dem sie leben, sich bewegen und sind: um wieviel mehr müssen wir gebührenderweise bekennen, dass der Mittler zwischen Gott und den Menschen durch sie selbst voll und vollendet, und auf vielfache und unaussprechliche Weisen dank der Gemeinschaft der beiden Naturen gewirkt hat?

Wir wenigstens müssen nach den Vorschriften des Wortes Gottes denken und empfinden, indem wir nämlich das zurückweisen, was, weil es neue Ausdrücke sind, den heiligen Kirchen Gottes Ärgernisse bereitet, wie man weiß; damit die Kleinen, entweder durch das Wort von den zwei Tätigkeiten geärgert, nicht meinen, wir liefen den Nestorianern nach und nähmen Wahnsinniges an; oder gewiß, wenn wir andrerseits dafür halten, dass (nur) eine Tätigkeit unseres Herrn Jesus Christus bekannt werden darf, man nicht glaubt, wir würden entsetzten Ohren den törichten Unsinn der Eutychianer verkünden. Auch müssen wir verhüten, dass die Feuer der flammenspeienden Fragen nicht immer wieder den Aschenhaufen derer neu beleben, deren unnütze Waffen verbrannt sind, indem wir einfach und wahrheitsgemäß den Herrn Jesus Christus als den einen bekennen, der durch die göttliche und die menschliche Natur tätig ist, und es für auserlesener halten, dass die eitlen Abwäger der Naturen mit müßigen Geschäften, und die aufgeblähten Philosophen mit Froschstimmen gegen uns lärmen, als dass die einfachen und demütigen christlichen Gemeinden hungrig bleiben dürfen. Niemand wird nämlich mit Philosophie und eitlem Trug die Schüler der Fischer täuschen, die ihrer Lehre folgen; denn alle klippenreichen und wellenschweifigen Argumente eines schlauen Streitgespräches sind in ihre Netze zusammengedrückt. Das möge eure Brüderlichkeit mit uns verkünden, wie auch wir es einmütig mit euch verkünden, und ermahnen euch, dass ihr unter Vermeidung des neu eingeführten Wortes von der einen oder doppelten Tätigkeit, mit uns im rechten glauben und in katholischer Einheit den einen Herrn Jesus Christus verkündigt, Sohn des lebendigen Gottes und selbst in aller Wahrheit Gott, der in zwei Naturen göttlich und menschlich gewirkt hat. - Gott erhalte dich unversehrt, geliebtester und heiligster Bruder!


Honorius I. (625-638) - Brief "Scripta fraternitatis" (604) an den Patriarchen Sergius von Kanstantinopel: über Willen und Tätigkeiten in Christus. - PL 80,470-474; - Mansi, 11,538-541; - vgl DS, n. 487-488.

Aus: Summa Pontificia - Lehren und Weisungen der Päpste durch zwei Jahrtausende, Band I - Eine Dokumentation ausgewählt und herausgegeben von P. Amand Reuter O.M.I., 1978, Verlag Josef Kral Abensberg

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