Freitag, März 23, 2007

Ist die Kirche Christi gespalten?

Beachten Sie, daß das Kursivgedrucke Zitate aus Balthasars Schriften sind:

Wer ist schuld an der Glaubensspaltung?

Als "unleugbar" erscheint es Balthasar, "daß die Spaltung der abendländischen Kirche für die einstigen Außensteher - Juden, Mohammedaner und Heiden - den evidenten Beweis der entscheidenden Niederlage, der tödlichen Schwächung der angeblichen Civitas Dei bedeutete: durchaus nicht bloß im oberflächlichen Sinn, daß der sich selbst befehdende Gegner ein leicht zu Schlagender wird, sondern im tiefem Sinn, daß die Christenheit ihren eigenen Glaubensgehorsam dem Gebot Christi gegenüber verleugnete und aufgab: sie sollten eins sein 'wie der Vater und ich': sie waren es nicht; sie sollten sich lieben, damit die Welt daran die Wahrheit der neuen Lehre erkenne: sie liebten sich nicht. Die Christenheit hatte durch die Glaubensspaltung sich selbst widerlegt." (Schleifung, 35f.)
Ähnliche Auslassungen "katholischer" Theologen sind mittlerweile kaum noch zu zählen. Als Balthasar vor fast vierzig Jahren (dieser Artikel wurde 1989 verfaßt) diese Sätze niederschrieb, war das noch anders; eines katholischen Theologen sind sie in jedem Fall unwürdig. Aber auch eines denkenden Menschen überhaupt. Wenn zwei Menschen über längere Zeit hinweg einträchtig die Wahrheit vertreten, einer von ihnen aber mit einem Mal in Irrtum fällt und fortan die Wahrheit bekämpft, an der der andere nach wie vor unbeirrt festhält, ist dann die Wahrheit, der ursprünglich beide anhingen, bereits dadurch widerlegt? Besitzt nicht jeder Mensch ein eigenes Gewissen und einen freien Willen? Ist nicht Irren menschlich? Wenn alle Menschen zwar streng der Wahrheit verpflichtet (nämlich objektiv), aber gleichwohl auch (subjektiv) frei sind, dem Irrtum zu folgen und auch von einem zum anderen jederzeit überzugehen, wie sollen dann Spaltungen vermieden werden?
Und nun theologisch betrachtet: Hat nicht Jesus die Spaltungen vorhergesagt, ja sogar sich selbst als deren Ursache bezeichnet!? "Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Denn ich bin gekommen, um den Sohn mit seinem Vater zu entzweien und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter, und die Hausgenossen eines Menschen werden seine Feinde sein. Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig" (Mt 10,34-37). Der letzte Satz beinhaltet sogar die Aufforderung, sich gegebenenfalls von den engsten Angehörigen loszusagen, um dem Herrn, der "die Wahrheit" (Joh 14,6) ist, die Treue zu halten, anstatt mit ihnen eins zu bleiben und sich dafür von Christus zu trennen."Die" Christenheit bzw. "die" abendländische Kirche also soll schuld sein an der Spaltung, d.h. die Katholiken genauso wie die Protestanten, die Anglikaner, die Orthodoxen etc. Und ihre konkrete Schuld liegt darin, klagt Balthasar an, daß sie bis heute nicht "eins sind 'wie der Vater und ich' ". Statt vorschnell bestimmte einseitig ausgewählte Schriftstellen für schlechtdurchdachte Ideen zu vereinnahmen hätte der Meister besser daran getan, sich ein paar Gedanken über das Wesen einer Spaltung zu machen. Genauer gesagt, über das Wesen einer Glaubensspaltung.
Den allein wahren Glauben zu besitzen und damit der allein wahren Kirche Jesu Christi anzugehören (die man nicht unnötigerweise mit Anführungszeichen versehen sollte!) ist Gnade im strengen Sinn, ein übernatürliches Geschenk also. Durch Nachlässigkeit, Undank, Hochmut oder freiwillige, der eingegossenen Glaubenstugend entgegengesetzte Akte kann man sich dieser Gnade sehr schnell unwürdig machen und sie verlieren. Den wahren Glauben verlieren heißt also notwendigerweise auch: die Glaubensgnade verlieren. Keine Gnade geht indes ohne eigenes Verschulden verloren. So groß die Glaubensgnade ist, und sie ist außerordentlich groß, weil sie die Wurzel und das Fundament aller anderen Gnaden bis hin zur beseligenden Anschauung Gottes ist, so groß ist auch die Schuld dessen, der sich dieser Gnade unwürdig macht und vom wahren Glauben abfällt.
Vom die wahre Kirche konstituierenden gemeinsamen Glauben abfallen, das allein heißt, sich von der katholischen Kirche abspalten. Wer von diesem Glauben nur in einem oder einigen Punkten abfällt, an den übrigen aber noch festhält, tut dies zwar nicht mehr kraft der Glaubensgnade, die nicht erst der Apostat, sondern schon der Häretiker verwirkt; aber immerhin kann er noch mit einigem Recht als "Christ" in weiterem Sinn bezeichnet werden. Nur sofern man solche "Christen" mit den katholischen Christgläubigen unter dem Begriff der "Christenheit" zusammenfaßt, kann man überhaupt die Abspaltung vieler einzelner oder auch ganzer Gruppen von der wahren Kirche eine "Spaltung der Christenheit" nennen. Die unmittelbare Schuld für diese Spaltung liegt einzig und allein bei denen, die sich direkt von der wahren Kirche abgespalten haben, indem sie die überaus schwere Sünde des Unglaubens (der Häresie) begingen. Eine mittelbare Schuld können zumindest theoretisch auch bestimmte Glieder der wahren Kirche haben, die selbst nicht vom Glauben abfallen, den Abgefallenen aber durch schlechtes Beispiel, unterlassene Bestärkung im Glauben etc. mit zum Anlaß für ihren Abfall geworden sind. "Die" katholische Kirche als solche jedoch kann weder unmittelbare noch mittelbare Schuld an der Abspaltung einiger ihrer Glieder tragen.
Die Abspaltung von Häretikern, die oft genug fortan den Namen der wahren Kirche Christi für sich und ihre Anhängerschaft reklamieren, führt ganz unweigerlich zu einer Spaltung, einem Nicht-eins-Sein der "Christenheit". Weniger der historische Vorgang der Spaltung selbst als vielmehr der Dauerzustand des Gespaltenseins ist es, den Balthasar "der" Kirche, also der katholischen, der wahren Kirche zum Vorwurf macht. Aber worin besteht denn dieser Zustand? Offenbar doch darin, daß die katholische Kirche mit allen ihren Gliedern in ungebrochener Treue am allein wahren Glauben mit all seinen Glaubenswahrheiten festhält, während die abgespaltenen Häretiker eigene "Kirchen" gründen und öffentlich einem Teil der katholischen Wahrheiten widersprechen, diese Wahrheiten als angebliche Irrtümer verwerfen und ihnen jeweils ihre eigene angebliche "Wahrheit" entgegenhalten, die in Wirklichkeit natürlich jedesmal ein Irrtum ist. Dadurch mag für Außenstehende in der Tat ein verwirrendes Bild entstehen. Aber was sollte die katholische Kirche tun, um diesen Zustand zu beenden?
Theoretisch-logisch gibt es nur zwei Möglichkeiten, den Zustand der "Spaltung der Christenheit" zu beenden: entweder die Häretiker bekehren sich wieder und schließen sich der katholischen Kirche an. Oder die katholische Kirche leugnet ihre Dogmen nun auch und schließt sich den bisher von ihr als krasse Glaubensirrtümer verworfenen Lehren der Häretiker und somit auch ihrer Gemeinschaft an. Die dritte Möglichkeit, einen Kompromiß zwischen den gegensätzlichen Standpunkten auszuhandeln, der künftig von allen als der gemeinsame Glaube betrachtet würde, läuft von seiten der katholischen Kirche aus gesehen auf dasselbe hinaus wie die zweite: prinzipielles Zur-Diskussion-Stellen und Preisgeben des bislang für unumstößlich wahr gehaltenen katholischen Glaubens.
Die erste Möglichkeit hat in der Praxis keine Chance auf Verwirklichung, weil niemals alle Häretiker, ja nicht einmal der größere Teil von ihnen zur Kirche zurückkehren wird - als moralisch geradezu "unmöglich" erscheint im Hebräerbrief die Bekehrung eines Häretikers oder Apostaten (Hebr. 6,4); auch deshalb, weil sich - notwendige Folge der menschlichen Freiheit - immer wieder neue Glieder unter immer neuen Vorwänden vom Leib der katholischen Kirche abspalten werden bis ans Ende der Zeiten. Die Bekehrungsgnade aber wird immer nur den einzelnen je nach ihrer Disposition und nach Gottes unerforschlichem Ratschluß, nicht jedoch einer ganzen Gruppe als solcher geschenkt.
Die zweite Möglichkeit ist von vornherein Makulatur, weil dabei die katholische Kirche geschlossen vom wahren Glauben abfallen und sich als wahre Kirche Christi selber aufheben würde. Sie ist auch praktisch wirkungslos, weil die abgespaltenen Denominationen untereinander gleichfalls in zahllose Glaubensstreitigkeiten verwickelt sind, so daß sich die Kirche keiner von ihnen anschließen könnte, ohne mit allen übrigen in Konflikt zu geraten. Abgesehen von allem anderen wäre die Spaltung der Christenheit also genau-sowenig behoben wie zuvor.
Die wahre Kirche Christi kann als solche nichts anderes tun, als weiterhin die Glaubenswahrheiten mit unfehlbarem Anspruch verkünden und die Irrtümer brandmarken: nur so bleibt sie Christus treu und nur so bleibt sie überhaupt die Kirche. Mögen manche ihrer Glieder an der Abspaltung der Reformatoren und ihres damaligen Anhangs mit schuld gewesen sein, eine direkte Schuld der Kirche an der Spaltung hat es nie gegeben und wird es auch nie geben. Diese Schuld könnte einzig und allein darin liegen, daß die Kirche völlig unbeirrt am unverkürzten und unverfälschten Glauben (und an der darauf beruhenden Praxis) festhält. Dieses Festhalten aber ist ja gerade die erste und ernsteste Pflicht, die ihr Christus auferlegt hat; sie kann also dadurch in keiner Weise sündigen, in keiner Weise Schuld auf sich laden.
Es ist schlicht eine dreiste Unverschämtheit, was den Katholiken als von ihnen zu verrichtendes Gebet etwa im gemeinsamen Gebet- und Gesangbuch der deutschen Bistümer "Gotteslob" zugemutet wird: "Herr, die Kirche soll das Zeichen der Hoffnung unter den Völkern sein. Du willst sie alle sammeln und zur Einheit führen. Wir sind schuld, daß dieses Zeichen nicht deutlich ist, denn deine Herde ist zerteilt." (Nr. 787/4 "Einheit der Christen/Eine Hoffnung") Auch hier steht die Frage im Raum, wie ein solcher Text oberhirtlich genehmigt werden konnte!
Die Schuld an der Spaltung der "Christenheit", die bis heute fortdauert, trifft allein jene, die sich damals abgespalten haben, und insbesondere jene, die zahllose ihrer Zeitgenossen zum Glaubensabfall verführt haben. Schon die nächste Generation wohl ist im Irrglauben aufgewachsen und war für die Abspaltung an sich nicht mehr verantwortlich. Am Dauerzustand der Spaltung ist darum jeder einzelne Orthodoxe, Protestant, Anglikaner etc. nur insoweit mitschuldig, als er gegebenenfalls zur Erkenntnis gelangt, daß nur die katholische Kirche Christi Kirche ist, und aus dieser Erkenntnis nicht die notwendigen Konsequenzen zieht. Solange protestantische Christen z.B. ihren Glauben ehrlicherweise für den allein wahren halten, unterliegen sie einem schuldlosen Gewissensirrtum und müssen ihrem Gewissen folgen, was keinerlei Schuld einschließt, im Gegenteil.
Es gibt mithin überhaupt kein eindeutiges Subjekt für Balthasars Schuldzuweisungen, denn wer im einzelnen von den nichtkatholischen Christen gegen besseres Wissen der wahren Kirche fernbleibt, das entzieht sich menschlicher Erkenntnis. Die katholische Kirche aber tut nur das, was sie unter schwerster Verpflichtung tun muß: Christus selbst, der sie gegründet und auf seine Lehre verpflichtet hat, ist der Spaltkeil, "gesetzt zum Fall und zur Auferstehung vieler in Israel und ein Zeichen, dem widersprochen wird" (Lk 2,34)!
Wenn aber dem so ist, wie steht es dann mit dem Hohepriesterlichen Gebet des Herrn, auf das nicht bloß Balthasar sich beruft? Es dürfte kaum einen anderen Text im Neuen Testament geben, der seit Jahrzehnten einer so hartnäckigen Fehlinterpretation ausgesetzt wäre wie gerade dieser. Immer wieder aufs neue wird die Bitte an den Vater um das Einssein der Jünger aus ihrem für das richtige Verständnis unverzichtbaren Zusammenhang gelöst und verselbständigt. Die allererste Frage müßte doch lauten: Wer sind jene, die eins sein sollen "wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, ... damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast" (Joh 17,21)?
Im Vers zuvor hat Jesus diesen Personenkreis genau abgegrenzt, indem er sagt: "Aber ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben" (Joh 17,20). "Diese hier", das sind die anwesenden Apostel, für die er gerade zuvor im besonderen gefleht hat (Joh 17,919). Und "alle, die durch ihr Wort an mich glauben", das sind die Christen, die die Lehre der Apostel angenommen haben, jene, die den von den Aposteln und ihren Nachfolgern unfehlbar verkündeten wahren Glauben besitzen. Wer auch nur eine einzige katholische (und das heißt auch: apostolische!) Glaubenswahrheit leugnet, hat das Glaubensprinzip, nämlich die unfehlbare Autorität des obersten Lehramts der katholischen Kirche, die allein auch die apostolische ist, bereits aufgegeben. Alles, was er noch glaubt, glaubt er nicht mehr "durch ihr - der Apostel - Wort", nicht mehr aufgrund der unfehlbaren Autorität des höchsten Lehramts der Kirche, sondern nur noch aufgrund eigenen Gutdünkens. Sein Glaube ist nicht mehr der gnadenhaft eingegossene übernatürliche Glaube sondern bloß noch ein natürlicher Glaube, auch wenn er sich auf übernatürliche Wahrheiten bezieht. Wenn der Herr sagt: "alle, die ... an mich glauben", kann er keinesfalls den natürlichen (oder - bei materiellen Häretikern anzunehmenden - übernatürlichen) Glaubensrest der Häretiker gemeint haben, sondern nur den übernatürlichen Glauben, der prinzipiell alles umfaßt, was immer die katholisch-apostolische Kirche zu glauben vorstellt. Daß nichts anderes gemeint ist, hat Jesus durch die deutliche Einschränkung "die durch ihr (der Apostel) Wort an mich glauben" ganz unmißverständlich zum Ausdruck gebracht.
Nur die Gemeinschaft derer, die den wahren Glauben bereits besitzen, galt also Jesu Gebet um die Einheit. Daraus folgt zwingend, daß er nicht um das gebetet haben kann, was schon als notwendige Bedingung vorausgesetzt ist. Nicht um die Einheit im Glauben, die schon da sein mußte, denn er betete ja für die Gläubigen, sondern um die Einheit in der Liebe für jene, die im wahren Glauben bereits vollkommen eins sind! Sind ja auch, was noch niemandem der modernen Ökumenisten aufgefallen zu sein scheint, Jesus und der Vater "eins" (Joh 17,21!) nicht etwa durch den Glauben, sondern nur durch die innertrinitarische Liebe! Daß das Verhältnis etwa zwischen Katholiken und Protestanten auch von katholischer Seite aus nicht immer von jener Liebe geprägt war, die der Christ jedem Nächsten schuldet, bestreitet niemand. Aber wer im lehramtlich erklärten Ausschluß der Häretiker aus der wahren Kirche bereits einen Verstoß gegen die Liebe erblicken wollte, befände sich selbst im Irrtum, nämlich in dem von einer bloß durch die Liebe statt den Glauben geeinten Kirche.
Eine Liebesgemeinschaft soll die Kirche auch und sogar zutiefst und zuinnerst sein; genau dafür hat ja, wie wir soeben sahen, der Herr so inständig gebetet. Aber grundlegend im wahrsten Sinn ist der gemeinsame Glaube. Ohne Glaubenseinheit gibt es keine vollkommene Liebeseinheit. Die Liebe zu den Glaubensgenossen hat viel mehr und viel höhere Motive, ist folglich auch wesenhaft eine viel innigere, als die zu den Außenstehenden. Wenn also die Kirche "sich selbst widerlegt", dann niemals durch die Spaltung "der Christenheit" sondern allenfalls durch Lieblosigkeit innerhalb der eigenen Reihen. Selbstredend ist auch das keine wirkliche Widerlegung: nur eine Kirche, die aus bereits vollendeten Heiligen bestünde, wäre auch eine vollendete Liebeskirche. Wer diese vollendete Liebesgemeinschaft in der Kirche vermißt und das zum Anlaß nimmt, sich von ihr abzuwenden, hat lediglich einen Vorwand, aber keine gültige Entschuldigung!

Ist die Kirche Christi gespalten?

"Die Spaltung der abendländischen Kirche" hat Balthasar beklagt. Das Schisma der "Ostkirche" erwähnt er gar nicht. Von den orthodoxen Schismatikern gilt aber dasselbe wie von den Protestanten. Auch sie haben sich nicht bloß von der wahren Kirche getrennt, indem sie die Gemeinschaft mit dem Papst aufgegeben haben; vielmehr mußten sie folgerichtig auch den päpstlichen Primat leugnen und haben damit den katholischen Glauben verloren. Nicht anders als die protestantischen Gemeinschaften bilden sie keine Kirche im übernatürlichen Sinn, mögen sie auch den Namen Kirche Christi usurpiert haben. Der mystische Leib Christi ist wesensnotwendig nur einer; Glieder, die sich von ihm abspalten, sind keine Glieder mehr und vermögen niemals einen zweiten mystischen Leib oder etwa einen (abgetrennten) Teil des einen Leibes zu bilden. Wenn das möglich wäre, müßte sich Christus selbst widersprechen. Sofern der Gottmensch "die Wahrheit" ist, kann er nicht zugleich die Summe jener oft genug einander nochmals widerstreitenden Irrtümer sein, unter deren Banner sich die häretischen Gemeinschaften zusammenfinden.
Mit Balthasars Augen betrachtet sieht die Situation allerdings wesentlich anders aus. Der mystische Leib Christi - das sind schlicht und einfach alle, die sich, mit welchem Recht auch immer, den Christennamen anmaßen. Die durch die Reformation gespaltene Kirche, so wird "klargestellt", "verlor jede Glaubwürdigkeit vor der Welt" Aber noch schlimmer ist, daß "der interkonfessionelle Hader unterdessen die einzelnen Kirchen, und am meisten die katholische (bisher einigermaßen verschonte) durchsetzt und sie nunmehr auch als einzelne ihrer Glaubwürdigkeit beraubt hat. Oder soll man sagen", so fährt der Meister fort, "daß die Krankheit, die vorher am interkonfessionellen Organismus manifest war - als Entfremdung, Feindschaft, Verleumdung, böswillige Entstellung - sich ganz folgerichtig auf die innern Organe der einzelnen Konfessionen zurückwarf um den wahren Herd des Übels zu offenbaren..." (Klarstellungen, 150), der angeblich in der "Sünde" liegt!
Die ganze "Christenheit" also bildet den "interkonfessionellen Organismus" und die einzelnen "Kirchen" einschließlich der römisch-katholischen sind als die "Organe" (d.h. Bestandteile) dieses Organismus anzusehen, mit dem nach Lage der Dinge nichts anderes gemeint sein kann als der mystische Leib Christi! Immerhin läßt Balthasar noch eine gewisse graduelle Differenzierung zwischen den Organen des interkonfessionellen Organismus gelten. "Heute anerkennt die katholische Kirche, daß andere christliche Kirchen, in verschiedenem Grad, den Namen 'Kirche' verdienen, wenn sie mehr oder weniger zentrale Elemente der Kirche Christi bewahren..." Demnach wären die anderen "Kirchen" wenigstens nicht im absolut gleichen Sinn wie die römisch-katholische Kirche die Kirche Christi.
Wo die katholische Kirche allerdings das Kirche-Sein der abgefallenen Denominationen "anerkannt" haben soll, verrät Balthasar nicht. Wahrscheinlich hat er gewisse Aussagen in den Dokumenten des II. Vatikanischen Konzils im Hinterkopf, insbesondere in "Lumen Gentium" Kap. 8 und in "Unitatis redintegratio" Kap. 15. Ob den getrennten Gemeinschaften dort wirklich konzediert wird, graduell oder partiell Kirche Christi bzw. mystischer Leib Christi zu sein, braucht hier nicht untersucht zu werden. Eine einschlägige (unveröffentlichte) Studie des Verfassers kommt freilich zu dem Schluß, daß es so ist; die Studie im Umfang von 63 DinA4-Seiten kann als Fotokopie zum Selbstkostenpreis vom Verfasser direkt bezogen werden: J. Rothkranz, Oberstraße 53, D-5424 Filsen. Selbst wenn es von diesem Konzil behauptet würde, wäre es widersinnig und würde die Glaubenswahrheit von der unzerstörbaren Einheit des mystischen Leibes Christi, und zwar des sichtbaren, ad absurdum führen. Ist für den mystischen Leib der sichtbaren Kirche der gemeinsame wahre Glaube konstitutiv, dann gibt es genausowenig eine graduell abgestufte Gliedschaft am Leib Christi wie es einen graduell abgestuften wahren Glauben geben kann!
Wenn nun Balthasar zum Trost für alle, die gleich ihm die vermeintlich gespaltene Kirche Christi betrauern, hervorhebt, "wie sehr ... der eine Herr der Kirche über allen christlichen Denominationen erhaben bleibt", und als eine dieser Denominationen auch die römisch-katholische Kirche verstanden wissen will, woran der Kontext nicht den geringsten Zweifel erlaubt, dann läßt er damit das Dogma von der katholischen Kirche als der allein wahren Kirche Jesu Christi fallen. Man ist nicht einmal darauf angewiesen, das aus dem soeben zitierten Satz erst zu erschließen, denn für "verunsicherte Laien" sagt es der große Theologe auch unverblümt: "Schwerer im einzelnen zu bejahen mögen die im Bekenntnis des Heiligen Geistes (sc. im Apostolischen Glaubensbekenntnis) mitbejahten Eigenschaften der Kirche Jesu Christi sein, denn ihr geschichtlicher Anblick scheint ihnen allen zu widersprechen: statt der einen ist sie die zerrissene ...", statt der heiligen die unheilige, etc.! (Kleine Fibel)
Nicht nur die im Großen Glaubensbekenntnis als Wesensmerkmal der Kirche genannte Einheit, nein, auch die Heiligkeit und Katholizität wagt Balthasar zu bestreiten. Aber könnte er nicht in diesem Satz die inneren, den Glauben als solchen nicht berührenden Streitigkeiten der katholischen Kirche meinen? Nein, denn im selben Buch an anderer Stelle ist zu lesen: "Gewiß, die gespaltene Kirche wirkt auf die Welt unglaubwürdig, wir müssen alles tun, um das Ärgernis der Schismen aufzuheben. Aber eine innerlich zerspaltene katholische Kirche wirkt auf die christlichen Gesprächspartner nicht minder unglaubwürdig ..." (Ebd. 91f.) Wie aus der Gegenüberstellung von "gespaltener Kirche" und "zerspaltener katholischen Kirche" unmittelbar zu ersehen ist, meint Balthasar dort, wo er "die zerrissene Kirche" sagt, stets die "Christenheit", den "interkonfessionellen Organismus" als Ganzes.
Leugnet also Balthasar die Einheit der katholischen Kirche, wenn er dafür hält, entgegen dem Credo sei sie "die zerrissene"? Nicht direkt, denn "die Kirche", die er für zerrissen hält, ist nicht die katholische sondern das (gedankliche) Konglomerat aller christlichen Denominationen, die "Christenheit" also, und deren Zerrissenheit ist ja augenscheinlich. Aber Balthasar setzt diese "Christenheit" bedenkenlos mit der "einen, heiligen katholischen und apostolischen Kirche" des Credo identisch! "Statt der einen", sagt er, "ist sie (die Kirche des Credo!) die zerrissene". Keine Frage, die katholische Kirche kann dann nicht mehr die allein wahre Kirche Christi, sondern allenfalls noch ein Teil davon sein. Das zu behaupten aber ist evidentermaßen häretisch. (Am Dogma von der einen und einzigen unzerstörbaren Kirche Christi, die nur die römisch-katholische Kirche ist, scheitert auch Kardinal Ratzinger. In einem kürzlich -"zufälligerweise" in Balthasars Verlag - erschienenen Buch (Kirche - Ökumene und Politik, Einsiedeln 1987, 127) schreibt er zur Spaltung der Christenheit folgendes: "Die Trennung - solange der Herr sie zuläßt - kann auch fruchtbar sein und damit die 'vielfältig-eine Kirche' vorbereiten, die wir uns heute noch nicht ausdenken können, aber in der nichts verloren sein wird, was an Positivem in der Geschichte gewachsen ist - wo auch immer. Vielleicht bedürfen wir der Trennungen, um zu der ganzen Fülle zu kommen, auf die der Herr wartet." Demnach ist die katholische Kirche noch gar nicht die Fülle dessen, was Christus als seine Kirche gestiftet hat! Man mag sich drehen und wenden wie man will, der Kardinal greift mit solchen Behauptungen oder auch nur Mutmaßungen frontal das dogmatisch verbindliche Selbstverständnis der römisch-katholischen Kirche an.)
Ganz auf derselben Linie liegt wiederum das Gebet- und Gesangbuch der deutschen Bistümer "Gotteslob" mit dem folgenden "Gebet": "Herr, wir bekennen, daß menschliche Schwachheit und Schuld deine Kirche gespalten (!) hat. Die Christenheit besteht heute aus vielerlei Kirchen und kleinen Gruppen." (Nr. 787/4 "Einheit der Christen/Ein Glaube") Damit wäre also Balthasars These von den deutschsprachigen Bischöfen abgesegnet! Nach katholischem Glauben jedoch ist die römisch-katholische Kirche mit absoluter Ausschließlichkeit die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche. Sie ist es nicht erst in einer ungewissen Zukunft, sie strebt nicht erst zu ihrer Einheit, Heiligkeit, Katholizität und Apostolizität hin, nein, sie war stets, ist unverändert und wird bis zum Ende der Welt immer sein, was wir im Glaubensbekenntnis von ihr bekennen. Balthasar bekennt das alles nicht von ihr, er leugnet es - wie für die Christenheit (die nämlich ist seine "Kirche Christi") als Ganzes, so logischerweise erst recht für jeden ihrer "Teile", zu denen in seiner Sicht auch die römisch-katholische Kirche zählt - ausdrücklich. Balthasar ein katholischer Theologe?

Samstag, März 17, 2007

Wer ist katholisch? - Wer nicht? - Zum Vierten

Katholisch kann auch nur sein, wer in Übereinstimmung ist mit der GANZEN katholischen Vergangenheit. Wer einen Widerwillen hat gegen das wesentliche Gewesene, lehnt sich implizit gegen das wesentliche Katholische auf. Umgekehrt, wer sich nur wohlfühlt im modernen, zeitgemäßen Katholischen, (was immer er sich darunter einbildet) bekundet damit, daß er entweder keine Ahnung oder kein genügendes Wissen hat von der katholischen (Heils-)Geschichte, was in der Regel auf schuldhaftes mangelndes Interesse und Engagement für die eigene Bildung und Weiterbildung zurückzuführen ist, oder daß er - darum wohl (einigermaßen) wissend - seinen Glauben aus freier Entscheidung lieber so praktiziert, wie es der verweltlichten "katholischen" Welt heute gefällt, weil diese Art (vermeintlich) leichter, angenehmer zu leben ist. Insofern sich das heutige, moderne "katholische" Leben aber vom früheren, vergangenen, offiziell-traditionellen, heilig-gesprochenen inhaltlich unterscheidet, ist es nicht mehr echt und wahr katholisch. Wer abschätzig denkt und spricht und handelt über die Vergangenheit der katholischen Kiche, wer die Rechtgläubigkeit, Heiligkeit der von der Kirche in den verflossenen Jahrhunderten anerkannten, ausgezeichneten Personen (Selige und Heilige), Werke (Orden, Institutionen, Missionen bis hin zu den Kreuzzügen), Frömmigkeitsformen (Liturgie-n, Sakramentenspendung, Ablaßwesen, Andachten) gewichtig kritisiert, bzw. ihre Gottwohlgefälligkeit in Zweifel zieht, kann sich nicht zurecht katholisch nennen.
Jede ernstgemeinte Opposition gegen das eigentliche Katholische ist eine Gegnerschaft gegen Jesus Christus, gegen GOTT! Unser Heiland und Erlöser identifiziert Sich mit Seiner Kirche! Er ist allzeit bei ihr und mit ihr. Der Beistand, den Er nicht nur einmal und einstmals sandte, sondern immerzu sendet, hat ihr NIE gefehlt. Deshalb ist alles, was die katholische Kirche in den 2000 Jahren offiziell, immer und überall geglaubt, gelehrt, gewirkt, (aus)geübt hat HEILIG. Und deshalb ist derjenige, der auch nur einen Teil davon ablehnt, anti-katholisch. Und wer anti-katholisch ist, verliert automatisch seine Autorität über die Gläubigen. Ein "Vorsteher", ein "Hirt", gleich welcher Stufe, der Mietling, der Verräter, der irrgläubig bis ungläubig ist, verliert eo ipso Amt und Würde.
Nicht daß man eins ist mit dem gerade aktuellen Bischof, garantiert die Katholizität. Es hat ja schließlich auch in der Vergangenheit oft genug (selbst reihenweise) treulose, per-fide, abgefallene "Bischöfe" gegeben (denken wir nur an die Reformationszeit). Der gute Hirt kennt die seinen, und die seinen kennen ihn! (vgl. Joh 10,14) Wer wahrhaft katholisch ist, erkennt (im Heiligen Geist, auf Dauer) auch, welches die guten Hirten sind, und er hat die Christenpflicht, diesen und nur diesen zu folgen.

Freitag, März 09, 2007

Ist jemand krank unter euch, so rufe er die Priester! sagt die Bibel


Rufe frühzeitig den Priester, damit der Kranke noch beichten und mitbeten kann. Dann ist durch den Trost der Sakramente die seelische Heiligung und oft eine Wendung der Krankheit leichter erreichbar. Wer den Priester ruft, muß ihm sagen, ob der Kranke noch schlucken kann oder gar schon bewußtlos ist.
Das Krankenzimmer ist für die Versehfeier gereinigt und aufgeräumt, evtl. auch mit Blumen geschmückt.
Der Heiland kommt!
Beim Herannahen des Priesters zünde man die Kerzen an. Alle Angehörigen sollen bei der Versehung dabei sein und kniend den Heiland ehren. Während der Beichte verlassen sie das Zimmer und beten nebenan für den Kranken/Sterbenden, bis sie wieder hereingerufen werden und kniend wieder dabei sind.
Nach dem Versehen lasse man den Kranken zur Danksagung etwas allein und baue das Altärchen erst später ab.
Schon in gesunden Tagen beschaffe sich die katholische Familie Kreuz, Leuchter, geweihte Kerzen, Weihwasser, Watte und evtl. ein besonderes Leintuch, das man besticken kann. - Diese Dinge wären passende Geschenke bei Familienfesten. - Um die Gnade einer wohlversehenen Sterbestunde soll man öfter im Leben beten. Seid bereit, sagt der Heiland!
Das Versehaltärchen stellt man so, daß der Kranke darauf sehen kann. Decke darauf ein weißes Leintuch, ein Kreuz mit 2 Kerzen, ein Schälchen mit Weihwasser und einen Palmzweig. Die Mitte des Tisches bleibt frei für die hl. Kommunion und das hl. Öl, das der Priester mitbringt. Wenn der Kranke kommuniziert, soll auch ein kleines Glas Trinkwasser da sein.
Für die hl. Ölung fügt man auf einem flachen Teller 6 Wattekugeln, einen Löffel Salz oder eine kleine Handvoll Brotkrumen zum Abreiben der öligen Finger und ein Handtuch hinzu. Watte, Salz oder Brot werden nach der Versehfeier durch Verbrennen im Herd beseitigt, nicht bloß fortgeworfen.
Aug. 1960, F. Schmitt, Siegburg

Versehtisch - wie er im Krankenzimmer für die Spendung der hl. Kommunion und der hl. Ölung vorbereitet werden soll.

Verlaß dich nicht auf Menschen!

Menschenruhm - kein Heiligtum!
Heute will man dich vergotten,
Morgen hörst du dich verspotten.
Suchst du nur bei Menschen Ehr,
Hast du wenig, suche mehr!

Menschengunst - ein Nebeldunst!
Die dich liebend heut umfassen
Können morgen dich schon hassen.
Drum sei weise, nur der Tor
Stützt sich auf ein schwankend Rohr.

Menschengruß - kein sichrer Fuß!
Mancher fragt, wie's dir ergehe;
Ging's dir wohl, so tät's ihm wehe.
Süße Worte, falsche Treu,
Das ist in der Welt nicht neu.

Menschenwort - kein fester Hort!
Heute heißt's: mein Wort zum Pfande;
Morgen: ich bin's nicht imstande.
Drum der Spruch: Ein Wort, ein Eid!
Gilt nicht mehr in unsrer Zeit.

Menschenmacht - sinkt über Nacht.
Die noch heut wie Berge stehn
Kann der Wind wie Spreu verwehn.
Wer auf Menschenmacht vertraut,
Hat sein' Grund auf Sand gebaut.

Menschenglück - kein Felsenstück.
Mag der Morgen froh erscheinen,
Abends kannst du dennoch weinen.
Auch das heiterste Gesicht
Ist ein Spiegel, der zerbricht.

Menschenzeit - sie reicht nicht weit.
Mancher denkt hinaus auf Jahr',
Morgen liegt er auf der Bahr';
Denn der Tod hält raschen Schritt
Und fragt nicht: willst du auch mit?

Fragst du nun: wo sichrer ruhn?
Ruh in Gott! Ihm glaub und traue,
Zu Ihm bet' und auf Ihn schaue,
Er bleibt GOTT, wenn alles fällt.
Selig, wer zu Ihm sich hält.

Nihil obstat: Julius Desfossez, libr. cens. - Imprimatur: Friburgi Helv., 21. IX. 1953 L. Waeber, vic. gen. - Kanisius-Verlag, Freiburg / Schweiz