Montag, Mai 21, 2007

Nie wieder Krieg? - Es ist Krieg!

Nie seit dem Turmbau von Babel war das Streben nach der Einheit des Menschen-Geschlechtes so mächtig wie heute. Die Welt träumt von einer wunderbaren Verbrüderung aller Völker, aller Sprachen, aller Religionen. Ein weltbürgerlicher Pazifismus gibt die Losung aus: Krieg dem Kriege! Alle trennenden Mauern sollen niedergerissen, alle Abgründe überbrückt werden. Einheit ist recht, aber es muß Einheit in der Wahrheit und im Guten sein.
Donoso Cortes nennt die moderne Unifizierungsmanie die Sünde des Jahrhunderts, die letzte Phase in der Entwicklung des modernen Stolzes, den neuen Turmbau von Babel. "Die Welt träumt eine Einheit, welche Gott nicht will und darum nicht zulassen wird, weil sie der Tempel des Hochmutes wäre. Unser Herr Jesus Christus ist in die Welt gekommen, um die Einheit in sich und durch sich herzustellen. Gott wird nicht zulassen, daß es eine andere Einheit gibt, als die des Kreuzes. Es ist die größte aller möglichen Sünden, zu tun, als ob man Gott wäre und ein Werk zu versuchen, das nur Gott vermag."
"Zweimal hat der Mensch diesen satanischen Plan. Das erste Mal, als er den Turm von Babel errichten wollte. Das zweite Mal heute, da eine unsinnige Demokratie daran geht, den Einheitsbau der Gesellschaft zu erstellen. Das demokratische Babel wird kein anderes Schicksal haben als das Babel der heiligen Bücher. Seid überzeugt: Was damals war, wird heute sein. Das Drama auf den Ebenen von Senaar ist im Begriff sich zu wiederholen. Bevor der Turm fertig ist, wird Gott die Nationen züchtigen und die Völker zerstreuen."
Der Friede wird entweder der Friede Christi im Reiche Christi sein oder er wird nicht sein. Die Einheit und der Friede entstehen dadurch, daß zwei dasselbe denken, dasselbe wollen und dasselbe nicht wollen. Daß also die Welt das denkt, was Christus der König denkt, das will, was Christus der König will, und das nicht will, was Christus der König nicht will. Oder umgekehrt, daß Christus das denkt, was die Welt denkt, das will, was die Welt will, und das nicht will, was die Welt nicht will. Das eine ist möglich, aber Gott allein weiß, wann es Tatsache wird. Das andere ist nicht nur unwahrscheinlich, sondern auch unmöglich.
Kurz: Es ist nicht Friede in der Welt. Es ist Krieg. Joseph de Maistre hat nachgewiesen, daß ein Blick auf alle Seiten der Geschichte genügt, um festzustellen, daß der Krieg ununterbrochen wie ein unaufhörliches Fieber irgendwo auf der Erdkugel wütet. Man gehe hinauf bis zur Wiege der Nationen, man steige hinab bis auf unsere Tage. Man durchforsche die Völker im Zustand der Barbarei wie in dem der verfeinertsten Kultur. Überall findet man den Krieg.
Man darf dabei nicht nur an den blutigen Waffengang zwischen Volk und Volk denken. Es gibt auch Kriege ohne Blut. Kriege der Zungen und der Federn. Kriege um Ideen. Kriege um die Futtertröge. Kriege um die Vorherrschaft. Familienkriege. Partei- und Klassenkriege. Wer nicht geistig blind ist, der findet überall in der Welt Gegensätzlichkeit. Gegensätzlichkeit zwischen Licht und Finsternis, Kälte und Wärme, Leben und Tod, Gut und Bös, Ja und Nein. Wir leben inmitten eines allumfassenden Zweikampfes. Und dazu der Widerstreit im eigenen Blut. Es ist Krieg auf Erden! Die Große Tasache im Leben der Einzelnen und der Völker ist nicht die Einheit, sondern die Entzweiung, der Dualismus. Nicht das Miteinander und Füreinander, sondern das Ohneeinander und Gegeneinander.
Das ist ein Geheimnis. Ein Geheimnis, ohne dessen Verständnis man nichts von Weltgeschichte versteht. Die Lösung des Geheimnisses liegt im Feste des heiligen Erzengels Michael. Die Geheime Offenbarung sagt im Kapitel 12: "Es erhob sich ein großer Streit im Himmel. Michael und seine Engel kämpften mit dem Drachen. Und der Drache kämpfte samt seinen Engeln. Aber sie vermochten nicht standzuhalten. Und ihre Stätte ward im Himmel nicht mehr gefunden. Da ward gestürzt der große Drache, die alte Schlange, die Teufel und Satan heißt. Der Verführer der ganzen Welt. Er wurde auf die Erde hinabgeworfen. Und mit ihm wurden hinabgeworfen seine Engel."
Daraus folgt: Dualismus, der dauernde Kriegszustand ist in der niedern Welt nur, weil er in der höheren Welt ist. Existiert in der Welt der sichtbaren Tatsachen nur, weil er vorher in der Welt der unsichtbaen Ursachen existiert. Alle Entzweiung und aller Krieg unter den Menschen bildet nur die Auswirkung des Krieges unter den Geistern. "Der große Streit im Himmel" ist der Vater allen Streites auf Erden. Hier und hier allein finden wir die Lösung für die großen Kämpfe der Welt.
Da die Engel, die guten und die bösen, Geister sind, so ist ihr Streit nicht ein materieller Kampf ähnlich jenem, wo die Kämpfenden sich mit Wurfgeschossen angreifen, mit Fäusten niederwerfen und mit Füßen zertreten, sondern es ist ein geistiger Kampf, aber gerade deswegen viel radikaler, viel unerbittlicher, viel durchdringender und weitgehender als alles leibliche Ringen. Wie Feuer und Sturm! Darum entzündend und mitreißend im guten und im schlimmen Sinn.
Wir haben den Streit auf Erden, weil die Geister den Streit vom Himmel auf die Erde getragen haben. Es ist Streit unter den Menschen, weil Streit ist zwischen den Engeln und den Teufeln. Unzählige Engel des Lichtes und Fürsten des Abgrunds, ganze himmlische und höllische Vereine inspirieren täglich, nächtlich die Menschen, treiben zum Kampf für Gut oder Bös, begeistern und bewegen. Alles große Tun der Menschen ist zurückzuführen auf Inspiration, auf Einhauchung des Geistes von oben oder von unten.
Welches ist das große Thema des sechstausendjährigen Krieges? Christus! Christus der König! Gott entrollte nach der Erschaffung der Engel seinen Weltplan. Von Gott ausgegangen, muß die ganze Schöpfung, die materielle, die menschliche und die Engelwelt, wieder zu Gott zurückkehren. Gottverbundenheit das letzte Ziel der Schöpfung! Diese Gottverbundenheit kann nur durch Einen geschehen, der die göttliche und die menschliche Natur in sich vereinigt, und in der menschlichen Natur die ganze, die geistige und die matrielle Schöpfung mit sich verbindet. Dank dieser Vereinigung des göttlichen Wesens und des menschlichen Wesens in einer und derselben Person wird Gott Mensch sein und ein Mensch wird Gott sein. An der Spitze der ganzen materiellen und geistigen Schöpfung, auch der Engelwelt, steht ein Mensch. Die Gottverbindung aller Dinge geschieht durch einen Menschen. Und dieser Mensch heißt Christus. Christus der König! Der Weltplan Gottes ist christozentrisch.
Das ist es nun, was den Grund des sechstausendjährigen Kriegszustandes im Universum bildet. Kaum hat Gott das Dogma von der Menschwerdung der zweiten Person verkündet, da erhebt Luzifer, einer der herrlichsten Erzengel, den Ruf der Empörung: Ich protestiere! Ich gebe nicht zu, daß ein Mensch, der unter uns steht, als Gottmensch über uns herrscht. Es geht um die Ehre der Engelwelt. Wir beugen uns nicht. Wir anerkennen keine christozentrische Weltordnung. Wir glauben nicht an einen Christuskönig. Und millionenfaches Echo wiederholte: Wir protestieren! Wir wollen nicht, daß Christus über uns herrsche.
Der antichristliche Protest pflanzte sich unter Luzifers Führung fort auf die Menschheit. Er ist das Kampfgeschrei der Welt vor Christus und nach Christus geworden. Bis zur Ankunft des Messias beherrschten drei große Irrtümer die heidnischen Völker: der Pantheismus, der Materialismus und der Rationalismus. Drei Formen von Antichristentum! Der Pantheismus sagt: Alles ist Gott. Wenn aber alles Gott ist, ist Christus überflüssig. Der Materialismus sagt: Alles ist Materie. Wenn aber alles Materie ist, so ist es Unsinn, von Christus zu reden. Der Rationalismus sagt: Die Vernunft ist das Höchste. Wenn aber die Vernunft das Höchste ist, wird der Glaube an Christus Unvernunft. Was man auch immer für einen Standpunkt einnimmt, man muß gegen den Christkönigsgedanken sein.
Was die letzten 19 Jahrhunderte betrifft, alle Irrlehren, alle Spaltungen, alle Verfolgungen, alle Revolutionen richten sich, und das ist ihr tiefster Zweck, immer in irgend einer Form gegen Christus als König der menschlichen Gesellschaft. Es ist nichts anderes als die Fotsetzung des großen Streites, den Luzifer in der Sternenwelt proklamierte. Gegenchristentum.
Wir wiederholen: Es ist nicht Friede in der Welt. Es ist Krieg. Wir haben deswegne nicht die Wahl zwischen Krieg und Frieden. Wir haben nur die Wahl zwischen Krieg und Krieg. Die Wahl, uns zu entscheiden entweder für den Kampf gegen Luzifer und seinen Anhang oder für den Kampf gegen Christus und sein Reich. Wir müssen entweder Antiluziferianer oder Antichristen werden. Entweder Satansgegner oder Christusgegner. Mensch sein heißt Streiter sein. Kriegsdienst ist des Menschen Leben auf Erden.
Keine Figur in unserer heiligen Religion drückt so sehr diesen Gedanken aus wie St. Michael. Michael ist der Generalfeldmarschall im Gottesreich wie St. Joseph der Kanzler ist. Der Ausgang eines Krieges hängt zum guten Teil davon ab, daß der Generalissimus die populärste Persönlichkeit in der Armee ist, der jeder Soldat in unbedingter Verehrung und Treue ergeben ist. St.Michael muß darum in diesen hochernsten Zeiten jene Popularität in der Christenheit erlangen, wie er sie bei den Heerscharen des Himmels besitzt. St. Michael, der Name, der uns immer in Herz und Mund ist. St. Michael, der Erzieher der Christkönigsmiliz!
Msgr. Pfarrer Robert Mäder in "Der Heilige Geist - Der dämonische Geist"

Montag, Mai 14, 2007

Hirtenbrief des Bischofs von Regensburg Johann Michael von Sailer

an seinen Diözesan-Klerus über die gegenwärtige Zeit und das Wirken des Priesters in ihr

Clama, ne cesses, quasi tuba exalta vocem tuam, et annuntia populo meo scelera eorum, et domui Jacob peccata eorum. Rufe getrost, schone nicht, erhebe deine Stimme wie eine Posaune, und verkündige meinem Volk ihr Übertreten, und dem Hause Jakob ihre Sünde. (Isai 58,1)

Wir Johann Michael, durch göttliche Erbarmung und des heil. apostolischen Stuhls Gnade Bischof von Regensburg: Entbieten dem gesamten Klerus
Unseres Bistums Unseren Gruß und Segen im Herrn! *

Wenn in unseren Tagen der Zeitgeist auf allen Seiten Lehrkanzeln aufschlägt, Boten ausschickt und öffentliche Sendbriefe in Umlauf setzt, um seine Lehren zu verbreiten, seine Pläne zu fördern, und für selbe Anhänger und Werkzeuge zu werben; so dürfen wohl diejenigen, die in einer höheren göttlichen Ordnung der Dinge von dem heiligen Geiste als Wächter aufgestellt und mit dem «Dienste des Wortes» beauftragt sind, nicht stumm bleiben, ohne den Vorwurf des Propheten auf sich zu laden: «Die Wächter allesamt sind blind, und wissen es nicht; stumme Hunde sind sie, die nicht bellen können; sie sehen eitle Dinge, schlafen, und haben die Träume lieb»; — und noch dringender wird für sie die Pflicht zu reden, wenn jene Bestrebungen größtenteils gegen die heilige Sache selbst, deren Verteidigung ihnen obliegt, gerichtet sind.
Diese Betrachtung hat uns bewogen, an Euch, geliebte Mitbrüder, aus offenem, bewegtem Herzen ein freimütiges Wort zu richten über das, was unseres Amtes ist in Hinsicht auf die Erscheinungen der Zeit: ein ernstes Wort der Ermahnung, ein begeistertes Wort der Ermunterung zum treuen Ausharren in unserem täglich schwerer werdenden Berufe.
Zwar ist es die Bestimmung der Kirche Christi auf Erden, daß sie kämpfe mit dem Bösen, und sie hat gekämpft vom Anbeginn an, und wird kämpfen bis ans Ende der Zeiten. Aber darin stimmen doch alle besonnenen Beobachter überein, daß der Kampf in unseren Tagen eine drohendere Gestalt angenommen, daß die feindlichen Angriffe heftiger, allgemeiner geworden, als je zuvor seit dem Sturze des alten Heidentums. Denn der Unglaube, der in früheren Zeiten, einem Geächteten gleich, sich scheu verbarg, hat nun gleichsam Bürgerrecht und Ehrenrang in der Gesellschaft erhalten, und ist, unter dem Namen Zeitgeist, eine öffentliche Macht geworden. Er ist die Ausgeburt jener falschen Aufklärung, jener, im biblischen Sinne treffend bezeichneten Weltweisheit, welche, nachdem sie alle überlieferten Lehren, die bis dahin das Kleinod der Menschheit ausmachten, ohne Unterschied von sich geworfen und so die Quelle der lebendigen Wahrheit verlassen hatte, keine andere Wahrheit mehr gelten ließ, als die sie in den zerbrochenen Zisternen der sich selbst gelassenen Vernunft zu finden wähnte. So istes denn der erste und fruchtbar fortzeugende Grundirrtum dieser Weltweisheit, daß sie, den Abfall der Menschheit von Gott und die dadurch gewordene Zerrüttung aller Dinge verkennend und ableugnend, den gegenwärtigen natürlichen (in Wahrheit aber unnatürlichen, weil gottlosen) Zustand des Menschen für den normalen hält, die unbändige Selbstsucht als das höchste Rechtsprinzip, und die Befriedigung aller Triebe des verdorbenen menschlichen Herzens als unveräußerliches Menschenrecht aufstellt, und das unaustilgbare

Geleitwort von Bischof Dr. Rudolf Graber
Bischof Johann Michael Sailer bedarf weder einer Empfehlung
noch eines Geleitwortes. Sein Beiname «Der Kirchenlehrer des 19. Jahrhunderts»
oder «Der große bayerische Kirchenvater der Jahrhundertwende» sagen eigentlich
alles. Wenn wir 1982 seinen 150. Todestag feierten, so ist die Rückkehr zu ihm
keine reaktionäre Flucht in die Vergangenheit, sondern eine Mahnung zur
Bewältigung der Gegenwart und Sicherung der Zukunft.

Was uns heute Sailer so nahebringt, ist der Gleichklang der
Zeitverhältnisse und ihrer Probleme. Es waren damals wie heute unruhige, ja
revolutionäre Zeiten. Es ging damals wie heute um das Wesen des Christlichen.
Die rationalistische Aufklärung von damals bedroht auch heute wieder den Bestand dieses Christlichen. Nicht umsonst spricht man heute von einer zweiten
Aufklärung. Da nun Sailer allgemein als der Überwinder der ersten Aufklärung
gilt, so könnte er uns wohl auch heute Helfer sein. Es war ja seine Größe, die
«geistige Lage zu erfassen und in jedem Augenblick die Wahrheit auf die
Gegenwart anzuwenden». Er besaß tatsächlich eine «prophetische» Witterungsgabe, mit der er das große Ziel der «Verinnerlichung, Vertiefung und pneumatischen Entflammung» verfolgte. Wer hier den geheimen Quellgrund entdecken will, der lese die Vorrede zu seinem «Vollständigen Gebetbuch für Katholische Christen» (erhältlich beim Immaculata-Verlag, CH-9050 Appenzell), wo er immer wieder auf das Herz zu sprechen kommt. Ohne es ausdrücklich zu nennen, erblickt er im Herzen den Gegenpol zum bloßen Intellekt, zur reinen Vernunft. So kann er schreiben: «Das Gebet aus dem Herzen, die Bewegung des Herzens, das Hinwallen der Seele zu Gott ist die Hauptsache des Gebetes . . . Wo also die innere Andacht, die Empfindung des Herzens fehlt, da ist gar kein Gebet . . . Darauf kommt es beim Beten an, daß du im Glauben und Vertrauen, mit Demut und Liebe vor dem Vater im Himmel dein Herz reden läßt». Sailer hat mit diesen Worten nicht nur das Wesen des Betens erfaßt, sondern auch den Weg gezeigt zur Überwindung der Krisen von damals. Sollte es nicht ein Fingerzeig für uns Heutige sein? Er spricht in der Vorrede zu späteren Ausgaben seines Buches von der 'lebendigen Quelle, die nie versiegt'. Zu dieser lebendigen Quelle zu gehen und daraus zu schöpfen, ist der Grund, warum wir uns in Sailers Schriften versenken. Man hat Sailer den «Heiligen» jener Zeitenwende genannt. Heiligkeit ist undenkbar ohne Gebet. Möge dieser große Beter auch unsere Zeit zu Gott hin wenden.
+ Rudolf, Bischof von Regensburg



Gefühl des Unwohlseins, welches der kranken menschlichen Natur innewohnt, zu beschwichtigen, und die mangelnde Glückseligkeit zu erreichen strebt durch gewaltsame Hinwegräumung aller vermeintlichen äußeren Hindernisse, d. h. jener heilsamen Schranken, welche unter der Leitung der göttlichen Vorsehung in Staat und Kirche zur Rettung der Menschheit angeordnet sind; während doch die Geschichte bis auf unsere Tage herab beweist, daß ein Volk ohne Gesetz und Religion, also ein Volk mit derjenigen Freiheit, welche das eigentliche Ziel so vieler Wortführer des Zeitgeistes ist, ineine Herde wilder, sich selbst zerfleischender Raubtiere ausartet.
Indes konnte es nicht fehlen: es mußte eine Lehre, die sich den Gelüsten des Herzens so sehr empfahl, bald zahllose Anhänger gewinnen, um so mehr, da sie, von den höheren Ständen ausgehend, mit jener Macht der Autorität, die sie der Wahrheit abgesprochen hatte, den niederen Ständen sich aufdrang. Gegenwärtig ist sie nun auch in die untersten Klassen eingedrungen; wie ein Gift wühlt sie in den innersten Eingeweiden der Menschheit, zerrüttet daseinzelne häusliche Leben, und veranlaßt in dem Gesamtleben alle jene Zuckungen, welche Europa krampfhaft bewegen.
Doch, wenden wir, nach diesem Blicke auf den Ursprung und die Ausdehnung des Weltübels, unser Auge auf unsere nähere Umgebung, und beobachten die Erscheinungen, die zunächst in unserem eigenen Wirkungskreise sich kund geben!
Zwar ist in unserem teuren Vaterlande das reiche Erbteil von Pietät, religiösem Sinne und treuer Anhänglichkeit an Altar und Thron, welches unsere Väter uns hinterließen, noch nicht ganz zu Verlust gegangen. Aber verhehlen dürfen wir uns doch nicht, daß es, ach! schon sehr geschmälert worden ist durch die Einwirkungen desjenigen Geistes, den Wir soeben geschildert, und daß die Apostel desselben unter dem gleißenden Scheine der Lichtverbreitung auch unser treuherziges Volk um einen guten Teil jener köstlichen Hinterlage betrogen haben.
Ein großer Teil derer, welche zu den Gebildeten gehören oder gehören wollen, sind, verlockt durch die Lehren, welche sie aus Büchern, im Umgange,selbst zum Teil auf den Hochschulen empfingen, dem Unglauben anheim gefallen. Eine positive, geoffenbarte Religion, eine Religion mit Geheimnissen, gegründet auf das Geheimnis aller Geheimnisse: Gott ein Mensch geworden, der Gott-Mensch am Kreuze gestorben für das Heil der verlorenen Welt; eine Religion, die vor allem Glauben, Demut, Selbstverleugnung, Gebet fordert; eine Religion, als deren Bewahrerin sich eine sichtbare Kirche, mit Lehramt, Priestertum, Sakramenten ankündigt: das ist ihrem stolzen Sinne eine Torheit, ihrem Gelüste ein Ärgernis. Wollt Ihr ihr Glaubensbekenntnis hören? «Religion! nun ja, die gehört so mit zur Bildung; aber ein Gebildeter macht sie sich selbst nach seinem Bedürfnis; Verehrung der Gottheit in der Natur und im frohen Genusse des Lebens; in einer schlaflosen Nacht ein Blick zu den Sternen hinauf, und der Wunsch, dort einmal ungetrübt glücklich zu sein: das ist die Summe der Religion eines gebildeten Mannes. — Christus: ein weiser Mann, ein Menschenfreund, der sein Volk vom Priesterjoche befreien und zur reinen Vernunft zurückführen wollte; aber ein Tor, daß er sich darum kreuzigen ließ; — Gebet: die kindische Anmaßung des Eingreifen-Wollens in das eiserne Rad des Schicksals; — Kirche, Priestertum, Sakramente: eine spätere Erfindung schlauer, hab- und herrschsüchtiger Pfaffen, begünstigt und benutzt von noch schlaueren Despoten als Kappzaum des Volkes, aber unverträglich mit dem Geiste unseres aufgeklärten Zeitalters; ein Sklavenjoch (setzen manche hinzu), das endlich auf den Schädeln der Pfaffen und Tyrannen zerschellt werden muß.»
Das ist die Sprache des Unglaubens, die auch unter uns, so oder anders, nicht mehr bloß heimlich geflüstert, sondern laut genug gesprochen wird; die in zahllosen Erzeugnissen der Presse, in Geschichtsbüchern, Romanen, Zeitschriften und Tagesblättern widerhallt, und die vorzüglichste Würze der sogenannten Geistesbildung ausmacht, die täglich dem lesegierigen Publikum geschäftig gespendet wird.
Auch den unteren Volksklassen hat sich diese Lehre, durch Wort und Beispiel gepredigt, bereits mitgeteilt, und wenn auch nicht so sehr auf die Köpfe, so hat sie in praktischer Anwendung um so mehr auf die Gesinnung, auf die Sitten des Volkes gewirkt; und hier, wo alles sogleich unmittelbar derb und kräftig ins Leben tritt, zeigt sich ihre zerstörende Wirkung am handgreiflichsten.
In ihrem Gefolge nämlich breitet sich das Sittenverderbnis verheerend über Stadt und Land aus; denn wo der Glaube wankend, das Gewissen stumpf geworden, die Gottesfurcht ausgerottet ist, da wuchern, wie das Unkraut auf einem wüsten Acker, alle die bösen Triebe, die in dem angeborenen Verderben der menschlichen Natur ihre Wurzel haben. Auf dem umgestürzten Altare des dreieinigen Gottes thronet dann in den Herzen die Dreieinigkeit des Weltgeistes: die Augenlust, die Fleischlust, die Lebenshoffart. Alles Dichten und Trachten ist auf den Kultus dieser Götzen gerichtet. Dem Erwerb des ungerechten Mammons wird Gewissenhaftigkeit, Redlichkeit geopfert; fremdes Eigentum ist nicht mehr heilig; Betrug ist Gewerbskunst geworden; die Prozeßsucht verschlingt Haus und Hof, und saugt Feindseligkeit, Rach- und Mordsucht. Voll Hoffart drängen sich die niederen Stände gewaltsam zu den höheren, zu ihren Genüssen, ihren Torheiten hinan; ein Streben, das sich in der Modesucht auf eine sprechende Weise veräußerlicht. Die schöne alte volkstümliche Einfalt und Sitte, mit der so viel Edles zusammenhängt, wird, wie der alte Hausrat, gegen neufränkischen Schein und Flitter vertauscht. Eine wahre Genußwut ist epidemisch geworden, und kaum vermögen die täglich sich mehrenden öffentlichen Lustorte die heranströmende Menge zu fassen, kaum die unaufhörlichen Tanzbelustigungen sie zu ermüden. Vorzüglich aber ist es die unbändige Fleischeslust, der die meisten Opfer verfallen. Schamhaftigkeit, Jungfräulichkeit ist unter der Jugend beinahe zum Märchen geworden. Dinge, die unter Christen nicht genannt werden sollten, sind der beliebteste Stoff der Unterhaltung in Rede und Gesang, selbst schon im Munde der Kinder. Das männliche Geschlecht rühmt sich offen seiner Verführungskünste; das weibliche kommt ihm mit lockender Willfährigkeit entgegen. Mehr als ein Viertel der Geborenen ist die Frucht sündhafter Lust, kennt nicht seinen Vater, kennt kaum seine Mutter, und diese nur als eine Ehrlose. Ohne Pflege, ohne Erziehung, außer allem zügelnden Familienverbande aufwachsend, finden sich dieseunglücklichen Wesen in die Welt hinausgeworfen, ohne alles andere Erbteil, als das verwildernde Bewußtsein einer ehrlosen Geburt; in den meisten Fällen frühem Verderben preisgegeben, und wieder Verderben in reichem Maße um sich verbreitend.
Aber auch das eheliche Leben bietet nur zu häufig einen nicht minder traurigen Anblick. Das Bündnis, gewöhnlich in blinder Leidenschaft oder aus habsüchtiger Berechnung geschlossen, sehr oft nur ein Deckmantel früherer sündhafter Vertraulichkeit, entbehrt aller Bedingungen einer sittlichen, dauerhaften Vereinigung; wie kann Segen Gottes, wie Gnade des Sakramentes auf solchem Sündenpfuhle ruhen? Nach wenigen Wochen tritt Enttäuschung, Abneigung ein, Zwiste entspinnen sich, es mangelt die gegenseitige Achtung, sie zu beschwichtigen; man wird sich satt, sucht Anlässe zur Trennung, führt sie herbei, und Ehebruch oder Mißhandlung müssen am Ende dazu dienen, das wieder zu scheiden, was Gott nicht vereinigt hatte. Da wird denn auch der eheliche Segen in den erzeugten Kindern zum Fluche; denn wie könnte die Kinderzucht in einem solchen zerrütteten Familienleben gedeihen? Vom ersten Erwachen des Bewußtseins an Zeugen und vielfältig Opfer der elterlichen Zwietracht, täglich das Bild aller entfesselten Leidenschaften vor Augen, werden sie durch Ungehorsam und kränkende Rohheit die natürlichen Rächer der elterlichen Schuld, um nach wild durchlebter Jugend im reiferen Alter von ihren eigenen Kindern gleiche Vergeltung zu empfangen. So vererbt sich das Verderben in steigender Progression von Geschlecht zu Geschlecht, und nur zu sehr paßt auf unseren Zustand, was der römische Dichter, den Untergang seines Volkes ahnend, aussprach: Aetas parentum, pejor avis, tulit nos nequiores, mox daturos progeniem vitiosiorem (Horat. Od. 6 L. 3).
Was noch die Herrschaft des Unglaubens ganz besonders beurkundet, ist das Überhandnehmen des Selbstmordes. Wenn der Unglückliche seinen Götzen alles geopfert hat, und sie ihn nun treulos verlassen, und er sich schrecklich getäuscht sieht in seinen Glücksträumen; oder wenn seine geheimen Vergehen ans Tageslicht kommen, und ihm nun Schande und Strafe droht: dann, statt sich in die Arme der unendlichen Erbarmung zu werfen, stürzt er mit eigener Henkershand sich verzweifelnd in den Abgrund, glücklich, wenn er statt des Gerichtes, an das er nicht glaubt, die Vernichtung fände, – auf die er trostlos hofft!
Und wenn nun noch unaufhörlich die Losung «Freiheit!» in diese gährende, durch keine inneren sittlichen Bande mehr gehaltene Masse hineingerufen wird, wäre es ein Wunder, wenn sie den schwachen Nachruf: «Freiheit und Ordnung» einmal zu überhören anfinge? –
Doch, wozu Euch noch ausführlicher schildern, was Ihr selbst in Euren Berichten täglich jammernd uns klagt? 0 möchtet Ihr dafür mit Wahrheit uns sagen können, daß wir die Farben dieses traurigen Bildes zu düster aufgetragen hätten!
Inmitten nun dieser Stürme des Unglaubens, inmitten dieser schwellenden Wogen des Sittenverderbnisses steht die christliche Kirche, stehen wir, ihre Diener, ein Gegenstand des Hasses, des Spottes, der Verachtung! – Sollen wir verzagen in dieser Stellung? Das sei fern! denn Er, unser Herr, dem alle Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden, Er hat gesagt: «Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt»; Er hat gesagt: «Fürchte dich nicht, du kleine Herde, denn es hat dem Vater gefallen, dir das Reich zu geben»; Er hat gesagt: «Die Pforten der Hölle werden meine Kirche nicht überwältigen.»
Oder sollen wir etwa, im Vertrauen auf diese allmächtige Verheißung, die Hände müßig in den Schoß legen? Das sei wiederum fern! denn er hat auch gesagt: «Ich habe euch erwählt und gesetzt, daß ihr hingeht und viele Frucht bringt»; Er hat Fluch und Wehe ausgesprochen über den faulen und nichtswürdigen Knecht, der das ihm anvertraute Pfand vergräbt, anstatt damit zu wuchern. Er hat uns das Salz der Erde genannt, das hinausgeworfen und zertreten werden soll, wenn es seine Schärfe verliert und unwirksam wird.
Und hier, geliebte Brüder! dürfen wir das niederschlagende Geständnis nicht umgehen, daß die Fäulnis, die Verdorbenheit des Geschlechtes, wenn auch nicht geradezu herbeigeführt, doch gewiß sehr befördert worden ist dadurch, daß in so manchen Dienern der Kirche das Salz schal geworden war, und, statt die Masse vor Fäulnis zu bewahren, sich selber von der Fäulnis anstecken ließ.
Es ist demnach für uns die Grundbedingung eines erfolgreichen Wirkens, eines glücklichen Kampfes gegen das eben beschriebene Verderben der Zeit, daß wir selbst davon rein und unberührt seien, daß der Weltgeist keinen Teil an uns habe. Denn wie wollten wir außer uns bekämpfen, was innwendig in uns selber herrscht? Wie das besiegen, was uns selbst in seinen Banden gefangen hält? Deshalb sagt der Herr:
«Niemand kann zweien Herren dienen, denn er wird entweder den einen hassen und den andern lieben; oder dem einen anhängen, und den andern verachten»; und ferner: «Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich, und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.» Der ist fürwahr ein schlechter, ehrloser Krieger, der mit dem Feinde im Einverständnis lebt. Unser erhabener Beruf fordert also vor allem Trennung von der Welt. Denn nur insofern können wir auf sie wirken, als wir außer ihr, über ihr stehen. «Da mihi punctum extra terram, et movebo terram», sagte ein alter Weiser. Uns ist dieser Stützpunkt gegeben, in dem, der da sagte: «Wenn ich werde erhöht sein von der Erde, dann werde ich alles an mich ziehen.» Also an Ihn, an den Gekreuzigten, an den zur Rechten des Vaters Erhobenen lasset mit ganzer Seele uns anschließen. «Bleibt in Mir, spricht Er auch zu uns, so bleibe Ich in euch. Wie eine Rebe keine Frucht von sich selbst bringen kann, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht in Mir bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in Mir bleibt, der bringt viele Frucht, denn ohne Mich könnt ihr nichts tun. Wäret ihr von der Welt, so würde euch die Welt als das Ihrige lieben; aber weil ihr nicht von der Welt seid, und Ich euch von der Welt auserwählt habe, darum haßt euch die Welt.»
Ja die Welt haßt uns; auch im schlechten Priester, der sich ihr gleichstellt, ihren Verlockungen sich hingibt, ihren Genüssen, ihren Plänen sich zugesellt, haßt sie den Priester; sein Name, sein Stand erinnert stets an etwas, das ihr ein Ärgernis ist, weil es Galle in Freude gießt. Lasse also keiner sich täuschen durch ihre Schmeicheleien, ihre Lokkungen; wenn sie ihn seiner Würde beraubt und zu ihren Zwecken mißbraucht hat, so spottet sie des «törichten Pfaffen», der, seines hohen Berufes vergessend, wie ein verirrter, erloschener Stern in ihren niederen Kreisen sich dreht.
In dieser Zurückgezogenheit von der Welt und ihren Zerstreuungen, die so wenig aus stolzem Selbstgefühl, als aus mürrischer, kopfhängerischer Menschenscheu, am allerwenigsten aus pharisäischer Scheinheiligkeit, sondern aus dem klaren, demütigen Bewußtsein einer höheren, mit dem Tande des Alltagslebens unverträglichen Sendung hervorgehen soll, finden wir dann auch Muße, uns durch ernstes, mit Gebet und Betrachtung verbundenes Studium immer fester zu begründen in der Wissenschaft des Heiles, deren Mittelpunkt Christus, deren Bewahrerin die Kirche ist, und deren Umkreis nichts wahrhaft Wissenswürdiges ausschließt. Es ist fürwahr wichtiger, als gar viele glauben, und besonders wichtig in unseren Tagen, daß der Priester nicht nur durch Frömmigkeit, sondern auch durch gediegenes Wissen sich auszeichne. Denn wenn, wie wir gesehen haben, ein falsches, oberflächliches Wissen, das in ein wahres Nichtwissen göttlicher und menschlicher Dinge umschlägt, als die Hauptquelle des Übels unserer Zeit zu betrachten ist, so müssen die Verteidiger der heiligen Sache um so tiefer in den Abgrund der Wissenschaft eindringen, um jene vergiftende Quelle abzugraben und das lebendige Springwasser zu erreichen, das, unter mühsam zu durchbrechenden Sand- und Felsschichten hervorquellend, die trüben Pfützen falscher Aufklärung zu reinigen vermag. Vorbilder und Handleiter seien uns hierin jene großen Kirchenlehrer, welche die Irrtümer ihrer Zeit mit den siegreichen Waffen wahrer Wissenschaft bekämpfen.
In dieser Zurückgezogenheit von der Welt und in der innigen Vereinigung mit Christus, die wir täglich am Altare erneuern, werden wir aber vor allem und allein empfänglich der Mitteilung seines heiligen Geistes, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie Ihn nicht sieht und nicht kennt, der als ein eifersüchtig-liebender Geist, ein der Weltliebe zugewendetes Herz verschmäht, und ohne dessen belebenden Hauch all unser Wissen tot, all unser Bemühen fruchtlos, all unser Kämpfen eitles Luftgefecht bleibt.
Um diesen Geist, der allein das entfaltete Angesicht der Erde wieder zu erneuern vermag, wie Er es schon einmaldurch die Predigt der Apostel erneuert hat, um diesen heiligen Geist laßt uns den Vater durch den Sohn unaufhörlich und inbrünstig bitten, und Er wird ihn uns verleihen nach seiner teuren Verheißung.
Erfüllt, beseelt von diesem Geiste, werden wir dann mit der durchdringenden Macht des Wortes Gottes die Welt überweisen können von der Sünde, in der sie durch Unglauben gefangen liegt, von der Gerechtigkeit, womit der zum Vater Aufgestiegene ihr dereinst vergelten wird, von dem Gerichte, das über ihren Fürsten bereits gehalten ist.
Von dem heiligen Geist, und der durch Ihn in unser Herz ausgegossenen Liebe werden wir dann jenen heiligen Eifer empfangen, der uns drängt und treibt, mit gänzlicher Hingebung uns dem Heil der uns anvertrauten Seelen zu widmen, allen alles zu werden, um alle für Christus zu gewinnen.
Diese Hirtenliebe und Hirtentreue wird uns dann von selbst die beste Art und Weise lehren, unsere Wirksamkeit den Bedürfnissen der Zeit und der einzelnen Glieder der Gemeinde anzupassen. Nach dem Beispiel des Erzhirten werden wir nicht ermüden, den Verirrten mit langmütiger Geduld nachzugehen, um den rechten Augenblick zu ihrer Zurückführung zu erwarten und zu benutzen, ihnen nachrufend das freundliche Wort: «Lasset euch versöhnen mit Gott durch Christus!»
Wir werden aber auch den hartnäckigen Ungläubigen und Sündern das Donnerwort ins schlummernde Gewissen rufen: «Wer nicht glaubt, der ist schon gerichtet»; «Kein Hurer, kein Unzüchtiger, kein Geiziger hat Anteil an dem Reiche Christi und Gottes» usw.
Wir werden ferner unsere vorzügliche Sorgfalt den noch unverdorbenen Gliedern der Gemeinde zuwenden, um sie vor dem Verderben der Welt zu bewahren; wir werden mit aller Macht der Liebe und des Ansehens sie von jenen Gelegenheiten zurückzuhalten suchen, wo der Glaube und die Tugend der meisten Schiffbruch leidet; werden unserer Wachsamkeit die der Hausväter und Hausmütter zugesellen, indem wir sie an die schwere Verantwortlichkeit mahnen, welche hinsichtlich des Seelenheiles ihrer Hausgenossen auf ihnen lastet. Und da uns das wachsame Hüten und Bewahren jedes einzelnen durch nichts so sehr als durch die heilige Beichtanstalt erleichtert wird, sowerden wir diesem wichtigen Geschäfte mit aller Liebe und Geduld uns unterziehen, und uns hüten, durch sorglose, oberflächliche und laxe Handhabung dieses Heilmittels die Frucht desselben zu vereiteln, oder gar diejenigen unserer Mitbrüder zu verdächtigen, die aus einem größeren Maß von Liebe einen größeren Eifer hierin beweisen. Im Gefühle aber unserer Ohnmacht und der Unzulänglichkeit unserer Sorge, werden wir die Seelen recht oft zum Erzhirten selbst verweisen, d. h. wir werden sie zum öfteren würdigen Gebrauch der hl. Sakramente ermuntern, damit sie, von dem Fleische und Blut Jesu genährt und gestärkt, in Ihm bleiben und Er in ihnen.
Was aber unsere höchste Sorgfalt in Anspruch nimmt, das ist die Schar der Kleinen, auf deren zarten Häuptern der Segen oder Fluch künftiger Geschlechter ruht, je nachdem sie zum Guten oder Bösen angeleitet werden. Hier möchten Wir Euch, geliebte Brüder! das liebliche Wort des Herrn: «Lasset die Kleinen zu Mir kommen, und wehret ihnen nicht ...» mit all dem Nachdruck, den es in Seinem göttlichen Munde gehabt haben muß, ins Herz rufen können: aber auch mit demselben Nachdruck das furchtbar ernste Wort: «Wer eines von diesen Kleinen ärgert, dem wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein am Halse in die Tiefe des Meeres versenkt würde.» Ihre Engel sehen das Angesicht des Vaters im Himmel; werdet also Ihr die Schutzengel auf Erden, so wird das Angesicht des himmlischen Vaters wohlgefällig auf Euch ruhen. Nehmt Euch demnach mit allem Fleiß des christlichen Unterrichts in den Schulen an; pflanzet hier in die zarten Herzen die Keime der Gottesfurcht, der Liebe und Ehrfurcht gegen die Eltern, der Demut, Bescheidenheit, Mäßigkeit, Sittsamkeit, Arbeitsliebe; pflegt vor allem die heilige Pflanze der kindlichen Unschuld, und bewahrt sie wie euren Augapfel. Lehrt die Kleinen, ihre zarten Herzen und Hände in kindlichem Flehen zum Vater im Himmel zu erheben; das Gebet von ihren reinen unentweihten Lippen dringt durch die Wolken, und vermag die drohenden Strafgerichte Gottes abzuwenden. Prägt die Lehren unserer heiligen Religion tief in ihr Gedächtnis, aber auch tief in ihr Gemüt. Aller gute Same, den Ihr auf diesem Acker ausstreut, der trägt wahrhaftig hundertfältige Frucht; und diese Frucht wird Euch überleben, und für das, was Ihr an den Kindern getan, werden dereinst an Eurem Grabe Euch noch dankbare Segenswünsche gestammelt werden.
Zwei besondere Ermahnungen, welche sich zunächst auf die gegenwärtigen Zeitumstände beziehen, haben Wir Uns bis hier am Schluß vorbehalten.
1. Legt den Eurer Obhut Anvertrauten bei jeder Gelegenheit die im Wesen des Christentums tief gegründete Pflicht der Treue, des Gehorsams, der Unterwürfigkeit gegen die von Gott gesetzte Obrigkeit ans Herz. Schärft ihnen die klaren, unausweichlichen Aussprüche Christi und seiner Apostel hierüber nachdrücklich ein. Sagt denen, die von der Influenza des Freiheitsschwindels angesteckt sind, daß das Christentum allein die wahre Freiheit verleihe, indem es uns frei macht von jenen Tyrannen (den bösen Begierden und Leidenschaften), die ein jeder in seinem eigenen Busen trägt; belehrt sie, daß der Christ, der diese Freiheit durch den Sohn erworben hat, sich willig allen äußern, sein Gewissen nicht verletzenden Anordnungen und Gesetzen unterwirft, den Blick auf jenes freie Mutterland, das Jerusalem, das droben ist, gerichtet. Zeigt ihnen das Beispiel der ersten Christen, welche lieber die Opfer der blutigsten Gesetze werden, als sich gegen die Obrigkeit, die sie erlassen. empören wollten, und zwar nicht aus feigem Sklavensinn, sondern in der Macht und dem Mut jenes Glaubens an eine bessere Welt, der diese Welt verachtet und überwindet. Legt es ihnen nahe, daß es fürwahr besser sei, unserem angestammten, von Gott gesetzten christlichen König und seiner Regierung zu gehorchen, als der Willkür jener gewissenlosen, von Ehrgeiz und Habsucht getriebenen Volksaufwiegler, und der Wut eines von ihnen aufgehetzten Pöbels preisgegeben zu werden.
2. Die zweite Ermahnung betrifft Euch selbst. Lasset Euch nicht verleiten, teilzunehmen an jenen politischen oder kirchlichen Oppositionsvereinen, welche heimlich oder öffentlich, mittelbar oder unmittelbar eine Umwälzung der bestehenden gesetzlichen Ordnung in Staat und Kirche bezwecken, zu deren Aufrechthaltung Ihr durch Eid und Pflicht verbunden seid. Wir untersagen Euch, kraft Unseres Oberhirtenamtes, jede solche Teilnahme, und würden denPflichtvergessenen, der sie sich zuschulden kommen ließe, die ganze Strenge der kirchlichen Strafgesetze fühlen lassen. Doch Wir vertrauen, daß unter Euch allen nicht einer sei, der Uns solchen Kummer bereiten werde.
Und nun, geliebte Brüder! Zum Schluß die Bitte: Lasset diesen freundlichen Zuruf, diese väterlichen Ermahnungen Eures Bischofs in Eurem Herzen Anklang, und in Eurem Leben Nachklang finden. Es sind Worte eines Greisen, der, nach achtzigjähriger Pilgerschaft, an den Pforten der Ewigkeit stehend, Euch nichts Besseres zu sagen weiß, als: «Habt nicht die Welt lieb, noch 'was in der Welt ist: denn die Welt vergeht mit ihrer Lust; wer aber den Willen Gottes tut, der bleibt ewig'. Er richtet diese Worte an Euch am Sonntag der Palmen. Die schwere Leidenswoche steht noch bevor, auch eine schwere Arbeitswoche für Euch alle; aber bald wird sie überstanden sein, und schon in acht Tagen ertönt das freudige Alleluja zu Ehren des Erstandenen. So ist es, Brüder! mit unserem Leben. Noch wenige Wochen, Monate, Jahre der Arbeit, und dann sind alle Mühen, alle Leiden vorüber für immer. Also mutig gekämpft und geduldig ausgeharrt bis ans Ende, denn es kommt der Tag der Vergeltung, wo Er, für den wir gestritten und geduldet, den Schweiß und die Tränen von unseren Augen wischen, und uns mit ewiger Freude alles Leiden lohnen wird. Der dieses bezeugt, spricht: 'Ja ich komme bald! Amen! Komm Herr Jesu!' – Bis dahin flehen wir mit der heiligen Kirche: 'Gott! von dem allein stammt alles heilige Verlangen, alles rechte Beginnen, alles gerechte Tun: gib uns Deinen Dienern jenen Frieden, den die Welt nicht geben kann; damit unsere Herzen, Deinen Geboten ergeben, und unsere Zeiten, von allen feindlichen Schrecken befreit, unter Deinem Schutze ruhig bleiben. Durch Jesus Christus, Deinen Sohn, unseren Herrn.'»
Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi sei mit Euch allen! Amen.
Gegeben Regensburg am Palmsonntag, den 15. April 1832.


+ Johann Michael, Bischof von Regensburg

* Dieser Hirtenbrief, den der ehrwürdige Bischof Sailer im 81. Jahre seines Lebens, wenige Wochen vor seinem sel. Tode erließ, muß als der Abschied eines liebenden und bekümmerten Vaters von seinen Kindern, als die letzte Ermahnung des Lehrers und als sein Schwanengesang angesehen werden. (Anm. d. Red.)

Enzyklika Papst Gregor's XVI. "Mirari Vos" vom 15. August 1832

Vorwort zur Enzyklika Gregors' XVI. vom 15. August 1832 (über den Liberalismus und religiösen Indifferentismus):

Unsere Leser sind wohl größtenteils vertraut mit der Erscheinungsgeschichte von Paris 1830, Rue du Bac. Die inzwischen heiliggesprochene Seherin Katharina Labouré wurde am 19. Juli 1830 um Mitternacht in der Klosterkirche von ihrem Schutzengel zur Kirche geführt, wo sie Maria im Chore sitzend schaute. Maria versprach der Klostergemeinde Schutz in den kommenden Revolutionen. Die zweite Erscheinung war am 27. November 1830 in der Kapelle: Maria auf der Erdkugel mit der Schlange, mit strahlenden Händen. Ihr Auftrag: die «wundertätige Medaille» prägen zu lassen. Im Dezember 1830 wiederholte Maria diese Forderung. 1840, also 10 Jahre später, erschien die Gottesmutter dann Schwester Justine Bisqueyburu desselben Klosters an der Rue du Bac. Sechs Erscheinungen fanden statt: die erste in Paris, dann in Blangy, dann (1841 - 1846!) in Versailles. Maria trug in ihren Händen ihr flammendes Herz! Es ging um die Einführung des Grünen Skapuliers zu Ehren des Unbefleckten Herzens Mariens. Und noch 6 Jahre später, also 1846, La Salette!
Um nun unseren Lesern einmal Gelegenheit zu geben, sich auch das heilsgeschichtliche Geschehen jener Zeit etwas detaillierter zu vergegenwärtigen, bringen wir im nachstehenden den Text der Enzyklika Papst Gregors XVI. vom 15. August 1832. Dieses Dokument ist für uns aber auch 175 Jahre «darnach» lesenswert, weil praktisch ALLES darin Ausgesagte uneingeschränkt weiterhin Gültigkeit hat.

Kreisschreiben des Heiligen Vaters
an alle Patriarchen, Primaten, Erzbischöfe und Bischöfe
Gregorius XVI., Papst
(Übersetzt von Herrn Chorherrn Geiger)

Ehrwürdige Brüder!
Gruß und apostolischen Segen!
Es könnte Euch, Unseres Erachtens, befremden, von Uns, auf deren schwachen Schultern die Fürsorge für die ganze Kirche liegt, noch kein Schreiben erhalten zu haben; was doch ein schon von den ersten Zeiten eingeführter Gebrauch war, und was selbst die wohlwollende Liebe, die Wir zu Euch tragen, gefordert hätte. Freilich war dieses Unser heißester Wunsch, Euch alsogleich Unser Herz zu eröffnen, und in geistiger Mitteilung in jenem Worte mit Euch zu sprechen, mit welchem Wir in der Person des heiligen Petrus beauftragt sind die Brüder zu stärken. Allein gleich in den ersten Augenblicken Unseres Pontifikates, wie Ihr wohl wisset, hat Uns ein solcher Sturm der Bedrängnisse und Übel in das hohe Meer hinausgeschleudert, daß Uns die schwarze Verschwörung gottloser Menschen, falls die Hand Gottes nicht mit Kraft eingetreten wäre, zu Euerm Herzeleid in die Tiefe versenkt hätte. Unser Herz würde sich empören, wenn Wir Euch alle die traurigen und gefährlichen Ereignisse erzählen, und so die schmerzhafte Wunde, die sie Uns geschlagen, wieder aufritzen wollten. Wir müssen vielmehr dem Vater alles Trostes danken, daß Er die Aufrührer zersprengt, Uns der augenscheinlichen Gefahr entrissen und den wogenden Sturm geebnet hat, damit Wir ohne Furcht wieder freier atmen können. Unser erster Entschluss war sonach, Euch zur Beruhigung Israels Unsere Ratschlüsse mitzuteilen: allein Wir waren, um die öffentliche Ordnung wieder herzustellen, mit so ungeheuren Sorgen überlastet, daß Wir diesen Unsern Willen nicht sogleich ins Werk setzen konnten.
Unterdessen wurden Wir das zweitemal zum Stillschweigen gezwungen, der Verwegenheit der Verschwörer wegen, welche die Fahne des Aufruhrs aufs Neue schwangen. Da die Verwegenheit dieser Leute und ihre ungezähmte Wut durch fortwährende Ungestraftheit und Unsere entgegenkommende Nachsicht nicht nur nicht beschwichtigt wurde, sondern nur größere Nahrung gewann; waren Wir zu Unserem eigenen Leidwesen gezwungen, Uns der von Gott Uns verliehenen Macht zu bedienen und sie mit der Strafrute niederzuschlagen: wodurch es ersichtlich wird, wie Unsere Wachsamkeit täglich lästiger in Anspruch genommen wird.
Da Wir aber von der Lateran-Kirche, nach dem Herkommen und der Vorschrift der Vorfahren, Besitz genommen, was Wir aus den nämlichen Ursachen so lange verschoben: so eilen Wir ohne Verzug zu Euch, ehrwürdige Brüder, und senden Euch gegenwärtiges Schreiben, als Zeugen Unseres bereitwilligen Herzens gegen Euch; Wir senden es aber an dem freudigen Tage, an dem die heiligste Jungfrau triumphierend in den Himmel aufgenommen ward, damit sie, die wir in den größten Bedrängnissen als unsere Schützerin und Retterin erfahren haben, Uns auch bei Verfassung dieses Schreibens an Euch gütig beistehen, und durch ihren himmlischen Anhauch unserem Geiste solche Ratschläge eingeben möge, welche der christlichen Herde ganz vorzüglich heilsam werden sollen.
Zwar kommen Wir zu Euch mit betrübtem und kummervollem Herzen, überzeugt, daß auch Ihr, gemäß Eures Eifers für die Religion, in Ansehung der gefahrvollen Tage tief bekümmert seid. Wir können mit Wahrheit sagen: es sei die Stunde der Mächte der Finsternis gekommen, die Kinder der Auserwählung, wie den Weizen, zu sieben. Wahrhaft steht das Land jämmerlich, und verdirbt...; es ist entheiligt von seinen Einwohnern: denn sie übergehen das Gesetz und ändern die Gebote, und lassen fahren den ewigen Bund.
Ehrwürdige Brüder! Wir sprechen von Dingen, die selbst vor Euren Augen vorüber gehen, und die Ihr eben darum mit Uns beweinet. Die Bosheit, das Wissen, welches unverschämt geworden, und die Freiheit, die in Ungebundenheit ausgeartet, erheben freudig ihre Häupter. Die heiligsten Einrichtungen werden verachtet; die Majestät der Gottesverehrung, die eine so große Kraft hat und dem Menschen so unentbehrlich ist, wird von verworfenen Menschen mißkannt, geschändet, verspottet. Die gesunde Lehre wird entstellt, und dafür werden Irrtümer aller Art ganz frech ausgestreut. Die unverschämte Zunge der Bösewichte läßt nichts unangefochten, weder die Gesetze der heiligen Religion, noch die Rechte, noch die Anordnungen und Disziplinarbeschlüsse. Diesen Unseren Römischen Stuhl des heiligen Petrus, auf welchen Christus das Fundament der Kirche gelegt hat, bekämpfen sie hartnäckig, und suchen das Band der Einheit täglich lockerer zu machen und aufzulösen. Sie bestreiten das göttliche Ansehen der Kirche, zertreten ihre Rechte, unterwerfen sie irdischen Vernünfteleien, und suchen sie auf die unbilligste Weise den Völkern verhaßt zu machen, um sie unter das Joch der schändlichsten Sklaverei zu beugen. Den Bischöfen wird der schuldige Gehorsam versagt, und ihre Rechte werden zernichtet. Neue, ungeheuer widersinnige Meinungen ertönen auf den Lehrstühlen der Akademien und Gymnasien, wodurch sie nun nicht mehr im Verborgenen und auf Schleichwegen den katholischen Glauben angreifen, sondern ganz offenbar den unheiligen und fürchterlichen Krieg gegen ihn führen.
Die Herzen der Jünglinge werden durch die Grundsätze und Beispiele ihrer Lehrer verdorben, wodurch die Religion unersetzlichen Schaden leidet, und die schändlichste Sittenlosigkeit verbreitet wird. Wo demnach der Zaum der Religion abgeworfen wird, durch welche allein die Reiche aufrecht erhalten werden, und in welcher jede Macht ihre Weihe und Kraft erhält: da sehen wir, wie die öffentliche Ordnung zusammenstürzt, die Hohheiten geschändet werden, und sich eine gänzliche Umänderung der gesetzmäßigen Macht festsetze. Die Quelle aller dieser Übel müssen wir in der Gesellschaft der Verschwörer aufsuchen. Diese Gesellschaften sind gleichsam der Pfuhl, wo alleKetzereien, all das gottlose Sektenwesen, alle Laster und Gotteslästerungen, mit allem übrigen Auswurf, wie in eine unlautere Grube zusammenlaufen.
Ehrwürdige Brüder, diese und andere, vielleicht noch größere Übel, die Wir kürzehalber übergehen, und die Ihr selber recht gut kennt, müssen Uns, die Wir, auf den Stuhl des Apostelfürsten gesetzt, vorzüglich vom Eifer für das allgemeine Haus Gottes durchglüht sein sollen, mit bitterem und anhaltendem Schmerz erfüllen. Allein da Wir jenen Platz inne haben, auf dem es nicht genug ist, das unzählbare Ungemach zu beweinen, wenn wir nicht zugleich Alles anwenden, es nach Kräften zu entfernen: so wenden Wir Uns zu Euch, ehrwürdige Brüder, und nehmen Euren Glauben in Anspruch und Eure Sorge für die Herde des Herrn. Eure bewährte Tugend, Eure Religion und ausgezeichnete Klugheit, Euer emsiger Eifer werden Uns Mut verleihen, und in dieser harten Lage der Dinge, die Uns betrüben müssen, freudigen Trost gewähren. Es ist Unsere Sache, die Stimme zu erheben und Alles anzuwenden, damit der Weinberg nicht von den Schweinen des Waldes zerstört, noch die Herde von den Wölfen zerrissen werde: es steht Uns zu, die Schafe nur auf jene Weiden zu treiben, wo gesunde Nahrung zu finden ist, und wo sich nicht einmal eine Spur einer schädlichen Nahrung zeigt. Es sei weit von uns entfernt, liebste Brüder, daß die Hirten ihre Pflicht versäumen und aus Furcht die Schafe verlassen, oder daß sie, sorglos über die Herde, im Müßiggange und in Untätigkeit schlummern, jetzt, da uns solche Übel bedrücken, und solche Gefahren drohen. Wir wollen demnach in Einheit des Geistes unsere gemeinsame Sache, oder vielmehr die Sache Gottes, ergreifen, und gegen die allgemeinen Feinde für das Heil des ganzen Volkes mit gemeinsamer Sorge wachen und mit vereinter Kraft arbeiten.
Dieses werdet Ihr vorzüglich leisten, wenn Ihr, gemäß Eurer Pflicht, auf Euch und auf die Lehre acht habt, und wohl in Eurem Gemüte überlegt, wie jede Neuerung die ganze Kirche verletze; und daß, wie der heilige Papst Agatho ermahnt: von Allem, was einmal regelmäßig entschieden worden, nichts vermindert, nichts verändert, nichts hinzugesetzt werden, sondern die Worte sowohl, als der Sinn davon unversehrt erhalten werden sollen.
Es muß sonach die Einheit fest bestehen, die auf dem Stuhle des hl. Petrus, wie auf ihrem Fundament, beruht, damit, wie von diesem Stuhle die Rechte der ehrwürdigen Gemeinschaft in alle Kirchen ausströmen, der nämliche Stuhl für alle die Schutzmauer, der Sicherheitspunkt, der den Wellen unzugängliche Hafen und Schatz unzählbarer Güter sei. Damit Ihr also die Frechheit derjenigen zurückschlaget, die entweder die Rechte dieses heiligen Stuhls zu entkräften, oder die Kirchen von der Verbindung mit diesem Stuhle, auf welchem sie ruhen und gedeihen, zu entreißen sich bemühen: so verkündet mit Macht das innigste Zutrauen zu diesem Stuhle und aufrichtige Verehrung, und ruft mit dem hl. Cyprian: «Derjenige soll sich nicht einbilden, in der Kirche zu sein, der den Stuhl Petri verläßt, auf welchem die Kirche gegründet ist.»
Euer größtes Bestreben und Eure immerwährende Wachsamkeit soll dahin gerichtet sein, daß Ihr die Hinterlage des Glaubens rein erhaltet, da sich die Gottlosen so sehr zusammen verschworen haben, um, Wir müssen es mit Betrübnis sagen, diese Hinterlage zu plündern und zu vernichten. Es sollen sich Alle erinnern, daß das Urteil über die Lehre, in welcher die Völker unterrichtet werden müssen, so wie auch die Regierung und Leitung der ganzen Kirche dem Römischen Papste zustehe, dem von Christus, unserem Herrn, die volle Macht gegeben worden ist, die ganze Kirche zu weiden, zu regieren und zu leiten, wie es die Väter des Conziliums von Florenz ausdrücklich erklärt haben. Die Pflicht der Bischöfe aber ist: daß jeder Bischof mit aller Treue dem Stuhle Petri anhange, die Hinterlage heilig und unverbrüchlich bewahre, und die ihm anvertraute Herde weide. Die Priester aber sollen den Bischöfen unterworfen sein, die von ihnen als geistliche Väter angesehen werden müssen, wie der hl. Hieronymus sagt. Sie sollen niemals vergessen, daß es ihnen in den ältesten Canones untersagt ist, einen Kirchendienst auszuüben, und sich das Lehr- oder Prediger-Amt anzumaßen, «ohne den Ausspruch des Bischofs, dessen Treue das Volk anvertraut ist, und für dessen Seelen Rechenschaft von ihm gefordert wird.» Gewiß ist es endlich auch unstreitig, daß diejenigen, die gegen diese festgesetzte Ordnung etwas unternehmen, den Zustand der Kirche, so viel an ihnen ist, verwirren.
Es ist ferner ein Verbrechen und jener Ehrfurcht, mit welcher wir die Gesetze der Kirche aufnehmen müßen, gänzlich entgegen, wenn jemand aus ungeregelter Meinungswillkür die von der Kirche festgesetzte Disziplin, welche die Vorschriften für den Gottesdienst, die Sittenregeln und die Rechte der Kirche enthält, mißbilligen, sie als gewissen Rechten der Natur widerstrebend, oder als mangelhaft und unvollkommen bezeichnen, oder der weltlichen Macht sie unterwerfen wollte.
Da es aber (damit Wir Uns der Worte der Tridentinischen Väter bedienen) offenbar ist: «Die Kirche sei von Jesus Christus selbst und Seinen Aposteln unterrichtet worden, und werde noch täglich vom heiligen Geiste, der ihr alle Wahrheit eingibt, fortwährend belehrt»; so ist es eine wahre Ungereimtheit und ein Verbrechen gegen sie, wenn man ihr eine Wiederherstellung oder Wiedergeburt aufbringen will; als wäre es notwendig, dadurch ihre Reinheit und ihr Wachstum zu befördern: eben als wenn man glauben könnte, sie sei dem Abfalle, der Verdunkelung oder anderen dergleichen Gebrechen unterworfen. Durch diesen Kunstgriff suchen die Neuerer ihre menschlichen Meinungslehren zu begründen, woraus gerade erfolgen müßte, was der hl. Cyprian so sehr verabscheut, nämlich, daß die Kirche, die göttlich ist, menschlich werde. Möchten doch diejenigen, welche solche Gesinnungen hegen, überlegen, wie es nicht einem Privatmanne zukomme, sondern, nach dem Zeugnis des heiligen Leo, in den Befugnissen des Römischen Papstes liege, in den Kirchengesetzen zu dispensieren, über die von den Vätern gemachten Beschlüsse zu entscheiden, und in dieser Weise, wie der heilige Gelasius schreibt: «Die kanonischen Beschlüsse genau zu vergleichen, die Vorschriften der Vorgänger abzumessen, und mit großer Überlegung zu mäßigen, was nach den Zeitumständen für Wiederherstellung der Kirchen eine Änderung zu erheischen scheint.»
Vorzüglich aber wollen Wir Eure Standhaftigkeit in der Religion aufwecken in Ansehung der schändlichsten Verschwörung gegen den Zölibat der Geistlichen, die, wie Ihr wisset, täglich weiterhin sich verbreitet; indem selbst einige Geistliche, uneingedenk ihres Standes und ihrer Würde, gemeinsam mit den verworfensten Zeitphilosophen, verleitet von den Lockungen der Wollust, so weit sich in ihrer Ungebundenheit verloren haben, daß sie an einigen Orten öffentliche und wiederholte Ansinnen an ihre Fürsten machten, um diese heiligste Disziplin umzustoßen. Es eckelt Uns, über diese schmachvollen Umtriebe Euch noch länger zu unterhalten, und Wir überlassen Euch, mit Zutrauen auf Eure religiöse Gesinnung, die Sorge, daß Ihr, wie es die heiligen Canones vorschreiben, dieses höchst wichtige Gesetz, gegen welches die Pfeile wollüstiger Menschen gerichtet sind, mit aller Kraft unversehrt zu erhalten, zu retten und zu schützen Euch bemüht.
Auch soll unsere gemeinschaftliche Sorge auf die ehrwürdige Ehe der Christen gerichtet sein, die der hl. Paulus ein großes Sakrament in Christus und der Kirche nennt, damit man gegen ihre Heiligkeit und ihr unauflösliches Band keine verkehrten Begriffe nähre oder einführe. Schon unser Vorfahre, Pius VIII. glücklicher Gedächtnis, hat Euch dieses in seinem Schreiben dringend empfohlen, und dennoch haben sich wieder neue Umtriebe dagegen gezeigt. Das Volk muß sonach fleißig belehrt werden, wie eine Ehe, die einmal gültig geschlossen ist, niemals mehr könne getrennt werden, und wie Gott selbst den Verheirateten ein immerdauerndes gesellschaftliches Zusammenleben, und einen Verwandschafts-Verband aufgelegt hat, den nur der Tod allein auflösen kann. Sie sollen sich erinnern, die Ehe werde als etwas Heiliges angesehen, und sei somit der Kirche unterworfen: sie sollen also die von der Kirche darüber verordneten Gesetze vor Augen haben, denselben heilige und genaue Folge leisten. Von Beobachtung dieser Gesetze hängt die Kraft, Stärke und gesetzmäßige Verbindung ab. Sie sollen sich auf alle Weise hüten, etwas zuzulassen, was den heiligen Canones und Konzilbeschlüssen entgegen ist, und versichert sein: jene Ehen werden unglücklich ausfallen, welche entweder gegen die Disziplin der Kirche, oder ohne sich vorher mit Gott ausgesöhnt zu haben, oder aus bloßer Fleischeslust geschlossen werden, ohne daß die Brautleute Rücksicht nehmen auf das Sakrament und auf die Geheimnisse, die in demselben angedeutet werden.
Wir kommen nun zur zweiten Ursache überaus großer Übel, von denen, zu Unserem Leidwesen, gegenwärtig die Kirche bedrückt ist, nämlich zur Gleichgültigkeit in der Religion, oder zu jener verderblichen Meinung, die von verworfenen Leuten mit List allenthalben verbreitet worden ist: man könne, wenn man übrigens die Sitten eines ehrlichen Mannes befolge, in jedem Glaubensbekenntnis das ewige Seelenheil erlangen. Diesen schändlichen Irrtum könnt Ihr in einer so offenbaren und überzeugenden Sache mit leichter Mühe von Euren Völkern abwenden. Der Apostel Paulus ermahnt uns: es sei nur Ein Gott, Ein Glaube, Eine Taufe. Diejenigen, welche sich einbilden, die Pforte des Himmels stehe jedem Religionsbekenntnis offen, soll doch gewiß eine Furcht anwandeln, wenn sie den Ausspruch des Erlösers reiflich erwägen: Wer nicht mit Christus ist, der ist gegen Christus; und derjenige zerstreue sich selber zu seinem eigenen Unglück, der nicht mit ihm sammelt; «deßwegen werden sie ungezweifelt ewig zu Grunde gehen, wenn sie den katholischen Glauben nicht festhalten, und ihn nicht gänzlich und unverletzt beobachten.» Sie mögen auf den hl. Hieronymus achten, der, als die Kirche durch eine Trennung in drei Teile gespalten war, fest stund, und als ihn jeder auf seine Seite zu ziehen versuchte, nur immer ausrief: «Der Meinige ist nur jener, der mit dem Stuhle Petri vereinigt ist.» Sollte sich auch Jemand damit schmeicheln: auch er sei im Wasser wiedergeboren; so würde ihm Augustinus recht passend antworten: «Auch der vom Weinstock abgerissene Zweig hat noch die Form des Weinstockes; allein was kann ihm die Form helfen, wenn er das Leben nicht mehr aus der Wurzel erhält?»
Aus dieser schlammigen Quelle der Gleichgültigkeit entspringt jener ungereimte, irrige Satz, oder vielmehr jener Unsinn, daß man die Freiheit des Gewissens behaupten und verteidigen müsse. Den Weg zu diesem pestartigen Irrtum bahnt jene unmäßige Freiheit der Meinungen, welche zum Schaden der Religion und des Staates sich weit ausbreitet; indem Einige auf die unverschämteste Weise vorgehen, die Religion ziehe Nutzen davon. Allein ist die Freiheit des Irrtums nicht der böseste Tod der Seele, wie Augustinus sagt? Denn wenn jeder Zaum, der den Menschen im Geleise der Wahrheit zurückhält, abgeworfen ist, da ohnehin die Natur hiezu so sehr geneigt ist: so müssen wir ja bekennen, der Brunnen des Abgrundes habe sich wahrhaft eröffnet, aus welchem Johannes einen Rauch aufsteigen und Heuschrecken hervorgehen sah, die die Erdeverwüsteten. Daraus entsteht jene Verkehrtheit der Gesinnungen, jenes sich so sehr verschlimmernde Verderbnis der Jünglinge; daher im Volke die Verachtung heiliger Dinge und der heiligsten Gesetze; mit einem Worte, die alle Übel übersteigende Pest unter dem Gemeinwesen; indem uns die Erfahrung schon von den ältesten Zeiten her belehrt: wie Staaten, in denen Reichtum, Macht und Ruhm blühen, durch unmäßige Meinungsfreiheit, Ungebundenheit der Rede und Neuerungssucht zusammenfielen.
Hieher gehört auch die unselige und niemals genug zu verabscheuende und verwerfliche Freiheit der Presse, wodurch Schriften aller Art unter das Volk verbreitet werden, und welche von Vielen mit solcher Wut gefordert wird. Es schaudert Uns, ehrwürdige Brüder, wenn wir sehen, wie wir gleichsam überschüttet werden von den abenteuerlichsten Lehren, oder vielmehr von ungeheuren Irrtümern, die weit und breit ausgestreut werden in einer Flut von Büchern und Büchlein und Schriftchen, die zwar klein an der Zahl der Blätter, aber ungemein groß sind an Bosheit, woraus der Fluch über die Erde sich ausgegossen hat, den Wir beweinen. Das Schmerzlichste ist, daß es Leute gibt, die in ihrer Unverschämtheit so weit gekommen sind, daß sie hartnäckig behaupten: dieser Strom von Irrtümern könne ja wieder gut gemacht werden, wenn ein Buch erscheinen würde, welches in diesem Sturme der Gottlosigkeit die Religion und Wahrheit in Schutz nähme. Allein es ist ja das höchste Unrecht und gegen alle Gesetze, gewisses und größeres Übel verüben, in der unsicheren Hoffnung, es könne etwas Gutes daraus entspringen. Ist es möglich, daß ein vernünftiger Mensch sagen könne: man solle Gift frei ausstreuen, öffentlich verkaufen, herumtragen, sogar hineintrinken; indem es ein Mittel gibt, durch dessen Gebrauch man glaublich dem Tode kann entrissen werden?
Allein, um die Ansteckung durch schlechte Bücher zu beseitigen, gab es in der Kirche, und schon zu der Apostel Zeiten, eine ganz andere Einrichtung; wir lesen, man habe eine große Menge böser Bücher verbrannt. Man darf nur die Gesetze lesen, die der V. Lateranensische Kirchenrat über diese Sache aufgestellt, und die Konstitution, die Leo X. glücklicher Gedächtnis, Unser Vorfahre, darüber herausgegeben hat: «damit das, was zur Vermehrung des Glaubens und zur Beförderung der schönen Künste heilsam ist erfunden worden, nicht zum Gegenteil verkehrt werde, und zum Schaden der Gläubigen Jesu Christi angewendet werde». Das Nämliche ließen sich auch die Väter zu Trient angelegen sein; indem sie, diesem Übel abzuhelfen, das heilsame Verzeichnis jener Bücher aufstellten, die eine unreine Lehre enthalten. Clemens XIII. glück. Ged. Unser Vorfahre, redet in seinem Rundschreiben von Verbannung schädlicher Bücher: «Es muß heftig gekämpft werden, wie es die Sache selbst fordert, um den todbringenden Schaden schlechter Bücher zu vertilgen: man kann dem Irrtum niemals die Nahrung entziehen, wenn die gedruckten gottlosen Schriften nicht in den Flammen ersterben». Aus dieser einstimmigen Sorgfalt, womit der hl. apostolische Stuhl zu allen Zeiten schädliche Bücher zu verdammen und sie den Händen der Menschen zu entreißen sich angelegen sein ließ, erhellt offenbar, wie falsch, verwegen den apostolischen Stuhl beleidigend, und dem christlichen Volke unheilbringend die Lehre jener Menschen sei, welche die Zensur nicht nur als hemmend und drückend verwerfen, sondern in ihrer Bosheit so weit gehen, daß sie behaupten, sie streite gegen die Grundsätze des Rechts, und sich erfrechen, der Kirche die Befugnis abzustreiten, eine Zensur aufzurichten und zu handhaben.
In den vielen Schriften, die unter das Volk ausgestreut werden, haben wir auch Lehren gefunden, durch welche die Treue und der Gehorsam gegen die Fürsten erschüttert, und die Fackel des Aufruhrs allseitig angefacht wird. Wir müssen demnach auf alle Weise vorbeugen, daß die Völker nicht irre geleitet werden, und vom richtigen Pfade abweichen. Merkwürdig für Alle ist die Ermahnung des Apostels: «Es gibt, sagt er, keine Macht, außer von Gott, und die Mächte, die da sind, sind von Gott verordnet; wer demnach sich einer Macht widersetzt, der widersetzt sich der Anordnung Gottes, und die sich widersetzen, ziehen die Verdammung selber über sich». Deswegen sprechen die göttlichen und menschlichen Rechte gegen die, welche durch die schändlichsten Umtriebe des Meineides und des Aufruhrs sich der Treue gegen die Fürsten zu entziehen, und sie selbst von ihren Thronen herabzustürzen sich bemühen.
Deshalb haben die ersten Christen, sich von dieser Schändlichkeit rein bewahrend, sich um die Kaiser und um das Wohl des Reichs, ungeachtet der wütigen Verfolgungen, verdient gemacht; indem sie alle Befehle, die nicht gegen die Religion stritten, mit völliger Treue, genau und hurtig vollzogen; ja, sie bewährten diese Treue selbst in den Feldschlachten durch ihre Standhaftigkeit und ihr vergossenes Blut. Der hl. Augustin sagt: «Die christlichen Soldatendienten dem ungläubigen Kaiser: betraf es aber die Sache Christi, da erkannten sie nur Jenen, der im Himmel ist. Sie machten einen Unterschied zwischen dem ewigen und zwischen dem zeitlichen Herrn; und dennoch waren sie dem zeitlichen Herrn untertan, des ewigen Herrn wegen». Dieses hatte der unüberwindliche Martyrer Mauritius, Anführer der thebanischen Legion, vor Augen, da er, wie der hl. Eucharius erzählt, dem Kaiser folgende Antwort erteilte: «Wir sind, o Kaiser, deine Soldaten, aber dennoch sind wir, wir bekennen es frei, auch Knechte Gottes... und jetzt soll uns selbst die äußerste Lebensgefahr nicht zum Aufruhr vermögen. Sieh, wir sind bewaffnet, aber wir ziehen vor, lieber zu sterben, als zu töten». Diese Treue der ersten Christen gegen die Fürsten erscheint um so herrlicher, wenn wir die Rede des Tertullian erwägen: «Hätten die Christen damals feindlich handelnwollen, sie wären zahlreich und mächtig genug gewesen. Wir sind, sagt er, erst von gestern, und alle eure Städte, Inseln, Schlösser, Burgen, Versammlungen, selbst eure Lager, Zünfte, der Palast, der Senat, das Forum sind von Christen angefüllt. „Wir wären gewiß, auch gegen eine überlegene Anzahl, rüstige Krieger, indem wir uns so leicht abschlachten lassen; allein nach unserer Lehre ist es besser, getötet werden, als töten. Wenn eine solche Menge Menschen sich von euch getrennt, und auf einen entfernten Strich Landes zurückgezogen hätte; wahrlich die Einbuße so vieler - was immer für - Bürger hätte eurer Herrlichkeit Schande gebracht; selbst unsere Entfernung wäre Strafe für euch gewesen. Ohne Zweifel würdet ihr über das Leere eures Reiches erschrocken sein... Ihr hättet Leute suchen müssen, die ihr hättet beherrschen können. Es wären euch mehr Feinde, als Bürger geblieben, da ihr hingegen der Menge der Christen wegen weniger Feinde habt».
Diese herrlichen Beispiele eines unerschütterten Gehorsames gegen die Fürsten, der sich aus den heiligsten Vorschriften der christlichen Religion ergibt, drückt das Brandmal der Verdammung auf jene verabscheuungswürdigen, trotzigen und schlechten Menschen, die alles anwenden, die Rechte der Fürsten zu schwächen und umzustoßen, und dem Volke unter Vorspiegelung der Freiheit das Sklavenjoch aufzulegen. Zum nämlichen Ziele hatten sich ehedem verschworen die Waldenser, Beguarden, Wiklesiten und andere derlei Kinder Belials, der Auswurf und die Schande des menschlichen Geschlechts, welche der apostolische Stuhl eben darum jederzeit mit Recht mit dem Anatem gebrandmarkt hat. Wahrlich haben auch unsere Verschwörer aus keiner andern Ursache alle ihre Kraft angewendet, als damit sie triumphierend mit Luther sich rühmen könnten: jetzt sind wir durchaus von Allem frei: und dieses Ziel zu erreichen, ergreifen sie mit Verwegenheit alle, auch die schändlichsten, Mittel.
Die Religion und die Fürsten dürfen ebenfalls nichts Besseres erwarten von den Absichten derjenigen, welche die Kirche vom Staate zu trennen und ihre gegenseitige Übereinstimmung aufzuheben trachten. Es ist offenbar, daß die unverschämten Freiheitsmänner eben diese Übereinstimmung fürchten, die jederzeit für die Religion sowohl als für den Staat so vorteilhaft und heilbringend war.
Zu den übrigen bittern Bekümmernissen über die allgemeine Gefahr kommt noch, was uns besonders schmerzt, daß sich gewisse Gesellschaften und Vereine bilden, wo sich Leute von verschiedenen, selbst offenbar falschen, Religionen und Bekenntnissen zusammentun, und zwar Anhänglichkeit an Religion heucheln, im Grunde aber, um den Aufruhr allseitig zu verbreiten, ungebundene Freiheit predigen, wodurch sie Geistliches und Weltliches in Verwirrung bringen, und jede gesetzmäßige Autorität zertrümmern.
Ehrwürdige Brüder! Wir schreiben Euch dieses zwar mit betrübtem Herzen, aber doch im Vertrauen auf Denjenigen, der den Stürmen gebietet und sie ebnet; Wir schreiben es, damit Ihr, angetan mit dem Schilde des Glaubens, den Kampf des Herrn mit Anstrengungkämpft. Euch steht es vorzüglich zu, Euch als eine Mauer hinzustellen gegen jede Macht, die sich gegen die Wissenschaft Gottes erheben will. Ergreifet das Schwert des Geistes, welches das Wort Gottes ist, und reichet das Brot denjenigen, die nach der Gerechtigkeit hungern. Ihr seid als emsige Arbeiter in den Weinberg des Herrn berufen; trachtet sonach einzig und arbeitet gemeinsam darauf hin, daß jede bittere Wurzel aus dem Euch anvertrauten Acker ausgerissen, und jeder Same des Lasters vernichtet werde, auf daß wieder eine gesegnete Ernte der Tugenden auf demselben aufkeimen möge. Besonders schließt diejenigen in eure väterlichen Arme, welche sich auf die heiligen Wissenschaften und auf die Philosophie verlegen; leget ihnen an das Herz und ermahnet sie, daß sie nicht, unkluger Weise sich auf die Kräfte ihrer Vernunft allein verlassend, vom Wege der Wahrheit abgleiten und auf die Pfade der Gottlosen sich verirren. Sie sollen sich erinnern: «Gott sei der Anführer zur Weisheit und der Zurechtweiser der Weisen», und daß es ohne Gott unmöglich sei, Gott kennen zu lernen, der uns durch Sein Wort zur Kenntnis Gottes führt. Nur stolze, oder besser unsinnige, Menschen können die Geheimnisse des Glaubens, die über alle unsere Vernunft erhaben sind, mit menschlichem Gewichte abwägen und ihr ganzes Zutrauen auf unsere Vernunft setzen wollen, die von Natur aus so schwach und unbehilflich ist.
Übrigens sollen die Fürsten, Unsere geliebtesten Söhne in Christo, diese unsere gemeinsamen Wünsche für die Religion und die Staaten durch ihren Beistand begünstigen und durch ihre Macht, die ihnen verliehen ist, nicht nur die Welt regieren, sondern vorzüglich die Kirche zu schützen. Sie sollen wohl überlegen, wie Alles, was sie zum Heile der Kirche unternehmen, gerade ihrer Macht und Sicherheit ganz besonders fromme. Es soll ihnen sogar die Sache des Glaubens mehr angelegen sein, als jene des Reiches; und sie sollen es für wichtig ansehen, wenn wir ihnen mit dem hl. Papste Leo zurufen: es sei etwas Grosses, wenn Gott zu ihrem Diadem auch noch die Krone des Glaubens hinzufüge. Sie sind als Väter und Beschützer der Völker aufgestellt, und können denselben nur alsdann eine wahre, standhafte und vollständige Ruhe und Sicherheit gewähren, wenn sie sich sorgfältig bestreben, die Religion und kindliche Furcht Gottes aufrecht zu halten, auf dessen Schoße geschrieben steht: Der König der Könige, und der Herr der Herrscher.
Damit aber alles dieses zu einem guten Ziele gedeihen möge, wollen Wir Unsere Augen und Hände zur heiligsten Jungfrau Maria erheben, als welche alle Ketzereien vernichtet, und auf die Wir Unser ganzes Zutrauen und alle Unsere Hoffnug setzen; sie wolle, bei dieser harten Bedrängnis der christlichen Herde, durch ihre Fürbitte für Unsere Gesinnungen, Ratschläge und Bemühungen einen glücklichen Ausgang erflehen. Das Nämliche erbitten Wir von dem Apostelfürsten Petrus und seinem Mitapostel Paulus, damit Ihr wie eine Mauer feststehet, auf daß kein anderes Fundament gelegt werde, außer jenem, das schon gelegt ist. In dieser freudigen Hoffnung vertrauen Wir auf Jesus Christus, den Urheber und Vollender Unseres Glaubens, er werde Uns endlich über alle die Trübsale, die so häufig Uns betroffen, Seine Tröstungen senden. Euch aber, ehrwürdige Brüder, und den Eurer Obsorge anvertrauten Schafen erteilen Wir mit voller Liebe den apostolischen Segen, als Vorboten der Hilfe von Oben.
Gegeben zu Rom bei der heiligen Maria Major, den 15. August, am Tage der glorreichen Himmelfahrt eben dieser seligen Jungfrau Maria, im Jahre 1832, und im zweiten Unseres Pontifikates.

Samstag, Mai 12, 2007

Die Wahrheit - Vom Kennenlernen der Wahrheit, vor allem der geoffenbarten

Das Übel, das wie ein schleichendes Gift die Einzelnen, die Völker und die Nationen heute befällt und viele verwirrt, ist letztlich und gleichsam wurzelhaft das Nichtkennen der Wahrheit, das manchmal nicht nur eine einfache Unwissenheit, sondern auch eine Verachtung der Wahrheit und eine fahrlässige Abkehr von ihr miteinschließt. Irrtümer aller Art dringen so in das Denken und Fühlen der Menschen und sogar in die Lebensadern der Gesellschaft ein und bringen zum großen Schaden der Einzelnen wie der Gesellschaft alles in Unordnung.
Nun hat uns aber Gott mit einer Vernunft begabt, die imstande ist, die natürliche Wahrheit zu erkennen. Folgen wir dieser Vernunft, dann folgen wir Gott selbst; denn er ist der Urheber, Lenker und Gesetzgeber unseres Lebens. Folgen wir ihr aber nicht aus Unverstand, Gleichgültigkeit oder gar aus Bosheit, dann wenden wir uns zugleich vom höchsten Gut selbst und von der Norm einer rechten Lebensführung ab.
Freilich, wenn wir auch, wie gesagt, die natürlichen Wahrheiten mit unserem Verstand erfassen können, so ist dies doch — zumal in Fragen der Religion und des Sittengesetzes — kein leichtes Bemühen für alle Menschen und oft mischen sich Irrtümer bei. Außerdem können wir Wahrheiten, die über das Vermögen der Natur und die Fassungskraft der Vernunft hinausgehen, ohne göttliche Erleuchtung und Hilfe überhaupt nicht erfassen. Darum hat sich Gottes Wort, das «in unzugänglichem Licht wohnt» (1. Tim. 6,16), in seiner unendlichen Liebe des Schicksals der Menschen erbarmt, ist «Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt» (Joh. 1, 14), damit «jeder Mensch, der in diese Welt kommt» (Joh. 1, 9) erleuchtet werde, damit alle zur vollen und ganzen Wahrheit und darüber hinaus zur Tugend und zur ewigen Glückseligkeit geführt werden. Das aber verpflichtet nun alle Menschen, die Lehre des Evangeliums freudig aufzunehmen, und wer sie verwirft, stellt damit auch die Grundlagen der Wahrheit, der Rechtschaffenheit und der Kultur in Frage.

Die ewigen Zweifler

Wie man sieht, handelt es sich um eine sehr ernste Frage, mit der unser ewiges Heil eng verknüpft ist.
Leute, die «immerzu lernen wollen», wie der Völkerapostel sagt, «ohne fähig zu sein, zur Erkenntnis der Wahrheit zu kommen» (2. Tim. 3, 7), die ernstlich behaupten, eine bestimmte und sichere Wahrheit könne es für die Erkenntnis des Menschen nicht geben, die die von Gott geoffenbarten und für unser ewiges Heil notwendigen Wahrheiten verschmähen, weichen ohne Zweifel von der Lehre Christi und der Ansicht des Völkerapostels bedenklich ab. Dieser sagt nämlich: «... laßt uns alle zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes gelangen ... Denn wir sollen nicht mehr Unmündige sein, ein Spiel der Wellen und hin und her getrieben von jedem Windhauch der Lehre, die mit menschlicher Laune und List auf täuschende Verführung ausgeht. Nein, die Wahrheit sollen wir leben durch Liebe, um in jeder Hinsicht in ihn, Christus, der das Haupt ist, hineinzuwachsen. Von ihm her wird ja der ganze Leib zusammengefügt und zu fester Einigkeit verbunden durch jedes Gelenk, das dem Ganzen dient, gemäß der Kraft, die jedem einzelnen Teil zugemessen ist; und so wirkt er das Wachstum des Leibes zu seinem Aufbau in der Liebe» (Eph. 4, 13-16).

Lüge und Wahrheit in der Presse

Leute aber, die planmäßig oder aufs Geratewohl die erkannte Wahrheit bekämpfen, Leute, die im Reden, Schreiben und Handeln sich der Lüge als Waffe bedienen, um die Gunst der ungebildeten Masse zu gewinnen und die unerfahrene, noch wachsweiche Jugend nach ihrem Sinn zu bilden und zu formen, diese Leute mißbrauchen offensichtlich die Unkenntnis und die Unschuld ihrer Mitmenschen und üben ein ganz schändliches Gewerbe aus!
Hier müssen wir mit besonderem Nachdruck eine Aufmunterung an alle jene richten, die durch die Fülle der heute so zahlreichen Bücher, Zeitschriften und Zeitungen auf das Wissen und die Erziehung des Volkes und zumal der Jugend, auf ihre Meinungsbildung und ihr sittliches Verhalten einen entscheidenden Einfluß ausüben: Achten Sie darauf, die Wahrheit mit Sorgfalt, Umsicht und Klugheit darzulegen. Ihr Beruf verpflichtet Sie im Gewissen, keine Lügen, keine halben Wahrheiten, keinen Schund und Schmutz zu verbreiten, sondern nur das Wahre, und zwar vor allem das, was zum rechten Tun und zur Tugend eine Hilfe bedeutet.
Zu Unserem größten Bedauern müssen Wir mit Unserem Vorgänger seligen Angedenkens Leo XIII. feststellen: «Frech geht die Lüge um . . in mühevollen Wälzern und schmächtigen Bändchen, in keck umherfliegenden Zeitungen und im aufreizenden Zauber des Theaters» (Brief: Saepenumero considerantes; A. L. vol. III, 1883, p. 262). Auch Wir müssen feststellen, «daß es Bücher und Zeitschriften gibt, die nur dazu gedruckt werden, um die Tugend lächerlich und das Laster angängig zu machen» (Brief : Exeunte iam anno; A. L. vol. III, 1888, p. 396).

... im Radio, Film und Fernsehen

Dazu kommen heute, ehrwürdige Brüder und liebe Söhne, die Darbietungen des Rundfunks, des Kinos und der Television. Die letzten kann sogar jeder mühelos bei sich zu Hause empfangen. Von allen können Anregungen und Antriebe zum Guten und Ehrbaren, ja zur christlichen Tugend ausgehen. Nicht selten aber werden sie leider auch zur Quelle und zum Anreiz verdorbener Sitten, eines ehrlosen Lebens, trügerischer Irrtümer und schlüpfriger Laster, zumal für die Jugend. Um den Einfluß dieses täglich weiter um sich greifenden Übels einzudämmen, müssen den verderblichen Waffen die Waffen der Wahrheit und des Guten nach Kräften und mit Umsicht entgegengesetzt werden: der schlechten und trügerischen Presse muß man mit einer guten und aufrichtigen begegnen; Hörsendungen des Rundfunks und Vorführungen des Kinos und Fernsehens, die zu Irrtum und Laster verführen, sind andere Darbietungen entgegenzustellen, die der Wahrheit dienen und die Reinheit der Sitten verteidigen. Auf diese Weise sollen die neuen Techniken, die sich so schädlich auswirken können, umgestaltet werden zu Mitteln, die neben ehrbarer Unterhaltung dem Menschen zum Heil und zur Wohltat gereichen. Von dort sollen die Heilmittel erfließen, von wo auch oft das schädliche Gift ausging.

Die religiös Gleichgültigen

Endlich gibt es Leute, die zwar nicht planmäßig die Wahrheit ausdrücklich bekämpfen, sich ihr gegenüber aber so nachlässig und unbekümmert verhalten, als hätte uns Gott den Verstand nicht zum Suchen und Finden der Wahrheit gegeben. Diese verkehrte Lebenshaltung führt auf abschüssiger Bahn zu der ganz sinnlosen Behauptung: alle Religionen seien — ohne daß man wahr und falsch unterscheiden müsse — gleichviel wert. «Diese Ansicht bereitet», um die Worte Leos XIII. zu gebrauchen, «allen Religionen den Untergang, besonders aber der katholischen, die unter allen die einzig wahre ist und die man sehr zu Unrecht mit anderen gleichsetzen würde» (Rundschreiben: Humanum genus; A. L. vol. IV, 1884, p. 53). Hält man Gegensätze und Widersprüche für belanglos, so führt das außerdem zu dem tragischen Resultat, daß man überhaupt keine Religion billigt, überhaupt keine ausübt. Wie könnte Gott, der die Wahrheit ist, die Sorglosigkeit, Nachlässigkeit und geistige Trägheit jener Menschen billigen und hinnehmen, die über Fragen, von denen unser ewiges Heil abhängt, sich kein Gewissen machen, die nichts wissen wollen vom Suchen und Erringen der heilsnotwendigen Wahrheiten, nichts von der Verehrung, die sie Gott allein schulden?
Auf das Erlernen und die Förderung der menschlichen Wissenschaften verwendet man heute viel Mühe und Fleiß, und unser Jahrhundert ist mit Recht stolz auf den bewundernswerten Fortschritt, den wir auf dem Gebiete der Forschung gemacht haben. Warum eigentlich verwenden wir nicht einen gleichen, ja noch größeren rastlosen, rührigen Eifer und Fleiß auf die Erwerbung zuverlässiger und sicherer Erkenntnisse, die nicht diesen irdischen und hinfälligen, sondern dem himmlischen Leben dienen, das nicht vergeht? Erst wenn wir zu jener Wahrheit, die aus dem Evangelium kommt und die praktisch gelebt werden muß, vorgedrungen sind, erst dann und dann allein werden wir zur Ruhe kommen in Frieden und Freude; in einer Freude, die alle Freuden unendlich übersteigt, die man über Ergebnisse der Forschung und über die großartigen, heute tagtäglich bis in den Himmel gepriesenen Erfindungen, die uns jetzt zur Verfügung stehen, empfinden kann.

Papst Johannes XXIII. in seiner 1. Enzyklika "Ad Petri Cathedram", 29. Juni 1959

Zuerst veröffentlicht in «DAS ZEICHEN MARIENS», 19. Jahrgang, Nr. 4/5, August/September 1985, Seiten 6224-6225