1.
Vier in ihrer Art einzige Persönlichkeiten eröffnen die vier Evangelien und damit den Neuen Bund: Christus, der Hochheilige, seine Mutter Maria, die Unbefleckte, sein Pflegevater Joseph, der heiligste der Patriarchen, und Johannes, sein Vorläufer, der größte der Propheten. Maria war der himmelnahe Sinai, auf dem sich, vom Schatten Josephs umgeben, Gottes Eingeborner zu uns herabließ; Johannes der Moses des Evangeliums, der uns den in der Wüste dieses Lebens Erschienenen zuerst gezeigt und verkündigt hat als "das Lamm und den Beherrscher der Erde" (Is. 16,1.). - "Dieser trat zum Zeugnis auf, damit er Zeugnis von dem Lichte (der Welt) gebe, auf daß alle durch ihn glauben möchten. Er war nicht das Licht, sondern er sollte Zeugnis von dem Lichte geben" (Joh. 1,6-8.): das ist die Mission und Aufgabe, das Amt und Privilegium, die Ehre und Glorie des Johannes. Maria hat uns das "ewige Licht" (Präfation) geboren, Joseph behütet, Johannes gepredigt. In dem Sinne wie Joseph der leibliche, war Johannes als Prophet der geistige Vater Christi, dessen Privatleben leitet Joseph, sein öffentliches Leben Johannes ein. Der "Sohn Josephs", wem galt er mehr als ein Mensch, als ein Zimmermann (Mark. 6,3.)? Der von Johannes Gepredigte, Getaufte, Verehrte, konnte er weniger sein als Gott, als der Messias und Heiland der Welt?Es gibt viele Ämter, die dem Menschen in dem göttlichen Plane der Menschwerdung des Wortes und der Erlösung des Menschengeschlechtes anvertraut sind. Diese Ämter, verschieden in ihrer Form, haben alle denselben Ursprung, dasselbe Ziel: die Verherrlichung Gottes durch seinen eingebornen Sohn. Das dem heiligen Johannes anvertraute Amt ist nur ihm allein eigen, wie Maria, die Gottesmutter, für sich allein gleichsam eine eigene Welt und Joseph nur denkbar ist neben ihr und ihrem göttlichen Sohne, so ist Johannes der Diener Gottes und seiner Vorsehung in einer Ordnung der Dinge, die man nicht zum zweitenmal schauen wird. Vorläufer, Täufer und Christuszeuge zu sein, das war das erhabene Amt, der besondere, ganz ausnahmsweise dastehende Auftrag des Johannes; er hat ihn erfüllt in der Zeit, doch in seiner Eigenschaft als Zeuge Christi wirkt er noch heute aus der Ewigkeit gegen alle, die dem Gottmenschen zu nahe treten.
Es hat in der Menschheit von Anfang an gewisse auserwählte, ganz besonders privilegierte Menschen gegeben, die weniger fast als auf dem gewöhnlichen Wege der Natur, als vielmehr auf dem außergewöhnlichen Wege der Gnade in die Welt gekommen sind, bestimmt zu irgend einem hohen Ziel und Amt, in Ermangelung dessen ihr Kommen in die Welt unwahrscheinlich genannt werden müßte, so jedenfalls alle jene, die ihren Eltern nach jahrzehntelangem Warten gegen alle Hoffnung noch geschenkt worden sind. Wäre Isaak z. B. ohne die Bestimmung, das von Gott gewollte Geschlecht Abrahams zu begründen, in dem alle Völker gesegnet werden sollten, wohl auf die Welt gekommen? Und Samson, der Bezwinger der Feinde Israels? Und Samuel, der Konsekrator des ersten Königs in Israel und Davids? Hätte Gott seinen Sohn nicht auf die Erde herniedergesandt, "gebildet aus einem Weibe" (Gal. 4,4.) - wäre dieses hehre Weib, die unbefleckte Jungfrau geboren worden? Sicher nicht; denn im Anfang und vor aller Zeit ward sie in der Idee Gottes erschaffen, auserwählt und vorherbestimmt, und dann geschaffen in der Fülle der Zeit und mit Gnaden überhäuft, um Gottesmutter zu werden.
2.
Derselbe Grundsatz muß von Johannes gelten; denn so spricht Gabriel zu Zacharias: "Elisabeth wird dir einen Sohn schenken, den sollst du Johannes nennen. Er wird groß sein vor dem Herrn, er wird vor ihm hergehen im Geiste und in der Kraft des Elias, um dem Herrn ein vollkommenes Volk zu bereiten." Nur in Hinsicht auf Christi bevorstehende Menschwerdung läßt Gott dem Priester Zacharias gegen alle Hoffnung einen Sohn, Johannes, ankündigen. Allerdings lag es in Gottes Macht, Christum auch ohne Josephs Schatten in die Welt einzuführen und ohne Johannis Zeugnis sein Messiasamt beginnen zu lassen, aber die Weisheit Gottes, die mächtig zu wirken vermag, ordnet anderseits alles lieblich an (Weish. 8,1.) und schickte dem Bringer der Gnade den Prediger der Buße voraus, dem sanftmütigen Könige der Herzen den gewaltigen Donnerer der Wüste, der Taufe mit dem heiligen Geiste die Wassertaufe, dem Messias einen Elias, ja den größten Propheten, dem Unterjocher der Welt einen Pfadbereiter, dem Heiligsten einen Heiligen, dem Hohenpriester des Neuen Bundes einen hebräischen Priestersohn, der Sonne den Morgenstern, dem Worte die Stimme.Der Gnadensonne war eine lange Dämmerung allgemeiner Erwartung vorangegangen - Figuren und Bilder, Verheißungen und Prophezeiungen, Ahnungen und sehnsuchtsvolle Hoffnung, "durch eine lange Reihe von Jahren und Zeiten hindurch", sagt Augustinus, "mußte Christus vorhergekündigt werden, denn es war nichts Geringfügiges, was man erwartete". Da lag es in der von Gott gewollten Harmonie der Menschwerdung seines von Ewigkeit her erzeugten Eingeborenen, daß eine feierliche Morgenröte, ein ganz besonderer Morgenstern den nunmehr nahenden Gottestag anzeigte, und er sandte den Johannes, bei dessen Verkündigung zum erstenmal "der Heilige Geist" (Luk. 1,15.) genannt ward.
Sterne genug hatte Gott in der langen Nacht von Adam bis Christus aufgehen lassen "und ein Stern war vom andern verschieden an Klarheit" (1. Kor. 15,41.) - Henoch, Noe, Abraham, Moses, Elias, Isaias - "sein Geist schmückte den Himmel aus"; dann verbarg er in seinen Händen das Licht, und dann wieder gebot er ihm, wiederum zu scheinen. Nunmehr aber befahl er dem Morgen und rief die Morgenröte und führte den Morgenstern hervor zu seiner Zeit, in der Fülle der Zeit, und es jauchzten alle Kinder Gottes (Job. 26,13; 36,32; 38,7. 32.). Die früher Gekommenen waren Diener im großen Hause Gottes, zu dem einem ward gesagt: Geh! und der ging, zu dem andern: Komm her! und er kam; zu dem Dritten: Tu das! und er tat es. Denn der Herr sandte zu seinem Volke alle seine Diener, die Propheten, vom frühen Morgen an sandte er sie aus dahin und dorthin (Jer. 7,25.)
Nun aber spricht er, der da kommt: "Siehe, ich sende meinen Engel, daß er den Weg bereite vor mir her (Mal. 3,1.), denn ein großer König bin ich, spricht der Herr der Heerscharen." (Mal. 1,14.) Die andern sind Propheten in Israel - Johannes ist der Prophet, der Vorläufer Christi, welchem Gott den Geist nicht nach dem Maße, sondern in vollster Fülle gegeben hat (Joh. 3,34.). Dazu ist er gekommen, um ihn offenbar zu machen (Joh. 1,31.), ihm zu Zeugen, ihm zum Wegbereiter; dazu war er - wie sein Herr selber - geboren und in die Welt gekommen, daß er der Wahrheit Zeugnis gab (Joh. 1,7.). Diese Wahrheit aber, die Wahrheit ist Christus und Johannes heißt nicht mit Unrecht "Praecentor veritatis" = Der Anstimmer und Vorsänger der Wahrheit. Im ewigen Konzerte Gottes auf Erden singen nicht alle mit gleicher Stimme, ruhig klingt die Stimme der Patriarchen, lauter sprechen die Propheten, wie Donner kommt es aus dem Munde der Apostel; deutlich hören wir die Gotteslehrer, unterschiedlich die Heiligen und die Stimmen der einzelnen Gläubigen fallen mit ein und wiederholen andächtig, was sie erlauscht - aber der Erste im Chore ist Johannes, "die Stimme des Herrn in der Kraft." (Ps. 28,4.)
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