Christus selbst hat uns nichts Schriftliches hinterlassen und hat auch seinen Jüngern in keiner Weise befohlen, seine Worte aufzuzeichnen. Aber er hat mehr getan. Er hat seiner Stiftung der Kirche, seinen Geist, den Heiligen Geist, die dritte göttliche Person, gesandt zu einer doppelten Aufgabe. Der Geist soll die Jünger alles lehren und sie an alles erinnern, was er gesagt hat (Jo 14,26). Damit aber nicht genug. Der Geist der Wahrheit wird die Jünger hinführen zur vollen Wahrheit, weil sie jetzt "es nicht tragen können" (Jo 16, 13. 12). Die Wahrheit, die Christus verkündete, hat somit noch nicht ihre letzte Entfaltung erreicht, dies zu tun, ist Sache des Heiligen Geistes. Der Herr beschreitet demnach, wie so oft den Weg der Mitte. Was er den Seinen hinterläßt als Erbe ist nichts Starres, Unbewegliches, aber auch kein planloses Ausufern, sondern eine durch den Heiligen Geist vollzogene Entwicklung jener Warheit und Lehre, die Christus von dem hat, der ihn gesandt hat, vom Vater (Jo 7, 16; 8, 26. 28). Nun ist ein Teil von dem, was Jesus im Auftrag des Vaters gesagt und verkündet hat (Jo 12, 49) im neuen Testament schriftlich niederlegt. Aber wer bürgt nach Abschluß der neutestamentlichen Offenbarung für die Weitergabe der Wahrheit durch den Heiligen Geist? Wer garantiert, daß die Hinführung zur "vollen" Wahrheit in der richtigen Weise erfolgt? Zu diesem Zweck hat Christus das Lehramt der Kirche eingesezt, bestehend aus den Nachfolgern der Apostel, aus Papst und Bischöfen, und er hat es so stark an sich gebunden, daß er sagen konnte: "Wer euch hört, der hört mich" (Lk 10, 16). Nun darf man ja nicht meinen, daß das Charisma der Wahrheit sich beschränke auf Papst und Bischöfe. Es gibt in der Kirche keine Glaubenserkenntnis, "die nur ein Erkennen einzelner und nicht zugleich auch ein Erfahren und Lieben der vielen wäre im Heiligen Geist. Jedes neue Dogma ist in diesem Sinn auch zugleich aus der Liebe geboren, aus dem Liebesleben der Glaubensgemeinschaft, aus dem Herzen der betenden Kirche. Jedes Dogma trägt die Weihe der Ehrfurcht und des Ernstes, der Gewissenhaftigkeit und der Treue, der Innigkeit und der Hingabe, mit der die Gemeinschaft der Glieder Christi in Liebe festgewurzelt und gegründet (Eph 3, 17) das Zeugnis Christi in sich befestigt (vgl 1 Kor 1, 6). Es ist in der Regel das "Gesetz des Betens" (lex orandi), das ungeschriebene Gesetz des betend erlebten, durchlebten Glaubens, das seiner autoritativen Formulierung als Glaubensgesetzt (lex credendi) vorausgeht". ...
"Danken wir Gott, daß wir wenigstens in religiösen Fragen noch eine Autorität bestizen, die kraft ihres obersten Lehramtes in Sachen des Glaubens und der Sitte das letzte, entscheidende Wort zu sprechen hat! Die religiösen Fragen bilden einen so unveräußerlichen Anteil des menschlichen Geisteslebens, daß der ehrlich forschende Menschengeist unvermeidlich immer wieder auf das religiöse Fragegebiet kommt. Sucht dann der forschende Geist Antwort auf die letzten Fragen und Ziele des Lebens, dann weist das kirchliche Lehramt Weg und Richtung, damit wir nicht "umhergetrieben werden von jedem Windstoß der Meinung, preisgegeben menschlichem Trug und hinterlistiger Verführung " (Eph 4,14). Werden die göttlichen Wahrheiten mit menschlichen Irrtümern vermischt, dann nimmt das kirchliche Lehramt die Wurfschaufel zur Hand, um den Weizen von der Spreu zu sondern. Drängen sich religiöse Kurpfuscher an das Volk heran, die ihm Steine statt Brot und Schlangen statt Fische reichen, dann erhebt der heutige Petrus seine Stimme mit den Worten des ersten Petrus: "Brüder, nehmt euch in acht, damit ihr nicht durch den Irrtum der Toren mitfortgerissen werdet und eure eigene Festigkeit verliert" (2 Petr 3, 17). (Kardinal Faulhaber)
(Bischof) + Rudolf Graber, Regensburg, 2. Juni 1978, am Fest des göttlichen Herzens Jesu in "Summa Pontificia".
Samstag, Februar 03, 2007
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