Der folgende Artikel ist erschienen im "Zeichen Mariens", 23. Jahrgang, Nr. 11, März 1990. Da gerade jetzt wieder Verhandlungen der Priesterbruderschaft St. Pius X. mit Papst Benedikt XVI. bezüglich einer "Versöhnung mit Rom" im Gange sind, mag es viele interessieren, welches meine Stellungnahme zur ganzen Problematik damals, also vor 16 Jahren, war.Die katholischen sogenannten "Traditionalisten" oder "Integristen" gehören ganz allgemein zu denjenigen, die dem wahren Glauben am treuesten sind. Sie bekennen sich am mutigsten und selbstlosesten und unverbrüchlichsten zum ganzen, unverkürzten katholischen Glauben aller Zeiten, d.h. zur Tradition, zum Glaubenserbe, zum Depositum Fidei! Sie haben nicht nach (äußerlichen) Reformen gerufen. Vielmehr leiden sie darunter, weil diese Reformen in großem Ausmaß rein kosmetische und sogar entstellende sind. Innere, geistig-seelische Verbesserungen sind dabei ja fast durchwegs ausgeblieben, ja das Gegenteil ist eingetreten: das Niveau ist schrecklich gesunken! Gewiß, man kann nicht sagen, daß solches beabsichtigt war, jedenfalls nicht von der Kirchenleitung. Aber von Anfang an wollte man auch an höchster Stelle die (kompeteten) warnenden Stimmen nicht (mehr) ernst nehmen. Man hatte sich nun einmal in der Überzeugung fixiert, daß das katholische Haus einer Generalüberholung, einer umfassenden Außen-Renovation, einer Modernisierung bedürfe, und man ging ziemlich hastig und radikal ans Werk. Sobald die schon lange wartenden Handwerks- und Abbruchleute das Signal bekamen und wahrnahmen, zögerten sie keinen Augenblick mehr. Wie es mit unzähligen Kirchenbauten aus Stein und Holz ging, so geschah es mit dem geistigen Kathedralbau "Römisch-Katholische Kirche"! Unsachverständig, verächtlich oft, erbarmungslos mitunter wurde da Altes, Ehrwürdiges relegiert, entfernt, niedergerissen, "kurz- und kleingeschlagen" und auf den Schutt geworfen oder verbrannt. Wieviele Tränen der besten Gläubigen sind da geflossen, und wieviele sind in Hälsen würgend, in Herzen - sie (beinahe oder gänzlich) brechend - steckengeblieben!? Und an die Stelle des (gewachsenen) Alten, Ehrwürdigen, Stillen, Armen, Heiligen, kam (künstliches) Neues, Funkelndes, Prangendes, Protzendes.
Die "Traditionalisten" - übrigens eine ganz schlechte Bezeichnung für die Treugläubigen - haben dies nicht gewollt. Kein Heiliger der ganzen Heilsgeschichte hat jemals nach solchen Reformen gerufen. Aber das, was wir in unserer Kirche bis unmittelbar vor dem Konzil hatten, das waren Zeugnisse und Zeugen heiligen Glaubens und heiligmäßiger Gläubiger! Wenn ich an unsere - jetzt vielerorts verunstalteten, wenn nicht zweckentfremdeten oder gar zerstörten - Kapellen und Kirchlein und Kirchen und Dome und Kathedralen unserer Jugendzeit und der Zeit unserer Eltern und Großeltern denke und sie mit den konziliaren und postkonziliaren Gemeindezentren, Mehrzweckgebäuden und Versammlungshallen vergleiche, dann fährt mir ein eisiger Schauer durch Knochen und Mark! Schon allein an diesen Äußerlichkeiten erkennt man den Geist, sowohl den guten derer, die das einstmals verwirklichten, was wir heute -weil malträtiert oder mißbraucht, entfernt oder zerstört - betrauern, wie den schlechten derer, die das Moderne, Minderwertige eigenmächtig an seine Stelle setzten. Zum Glück gibt es auch heute noch die vielen erhaltengebliebenen materiellen Zeugen der Vergangenheit. Nur dank diesen aber sieht an so vielen Orten das, was die "Konzilskirche" heute tut, noch einigermaßen "katholisch" aus! Wäre manchenorts der katholische Raum, das katholische Gebäude, der katholische Rahmen (als Kleid, als Hülle oder Maske) nicht noch von früher her vorhanden, dann könnte kein von den Toten zurückkehrender Vorkonziliarer das Tun seiner heutigen "Glaubensbrüder" auf den ersten Blick als wahrhaft katholisches erkennen. Noch nicht überall, aber wohl an den meisten religiösen Stätten, ist von dem, was einst auf der ganzen Welt als der schönste, herrlichste, sublimste Kult galt, nicht mehr viel übriggeblieben! Und das ist das Werk einer Generation von Kirchenfürsten!
Und wenn ich an unsere ehemalige Organisationen, Vereine, Gesellschaften, Orden, Missionen denke, und sie mit dem Erbärmlichen, dem Ausgemergelten, dem Skelettösen vergleiche, was heute davon noch geblieben oder an ihre Stelle getreten ist, dann durchfährt ein stechender Schmerz mein ohnehin betrübtes und beinahe untröstliches Herz.
Wäre es nun nicht an der Zeit, Rom würde sich darauf besinnen, all die guten noch existierenden bewahrenden Kräfte zu unterstützen, statt sie zu verleugnen, zu verdrängen und sogar in die Abkapselung, in die Ein-Igelung zu treiben (und dann dort zu belassen)? Diejenigen, die (auch im Äußeren, Sinnfälligen) beim Alten, beim Allzeitigen, beim Immergewesenen bleiben wollen, können nicht im Fehler sein. Wenn Rom neue, bisher ungewohnte unvorstellbare Wege geht oder mitgeht, dann hat es (auch vor Gott) kein Recht, daß ihm alle blind oder vertrauensselig folgen. Der Mensch ist kein Herdentier (sollte es aufgrund Gottes Bestimmung und Berufung nicht sein!). Der gläubige Mensch kennt vor allem einen Hirten, und das ist JESUS CHRISTUS, das ist GOTT selbst. Jeder Gläubige hat das Recht, ja die Pflicht, Menschen, selbst religiösen Führern, selbst einem Papst, nicht zu folgen, wenn er (zurecht oder zu unrecht) die ehrliche Überzeugung hat, daß diese von dem abweichen, was JESUS, was GOTT will. Die Herde ist ihnen nicht (zum Besitz) ausgeliefert. Sie ist ihnen (als Verwaltungsgut) anvertraut! Und ihre Herden sind nicht Herden von vernunftlosen Tieren, sondern von vernunftbegabten, mit freiem Willen ausgerüsteten Menschen, von Seelen, von mitdenkenden, mitverantwortlichen, mitentscheidenden ewigen Geist-Wesen! Keine Seele kann sich vor Gott auf einen schlechten Hirten berufen, auf ihn die persönliche Schuld abwälzen, wenn sie verlorengeht oder (vielleicht für längere Zeit) ins Purgatorium muß, auch nicht auf einen (hohen, höchsten) Stellvertreter Christi!
In vielem von dem nun, was unsere Oberhirten (die Bischöfe) unter der Leitung, bzw. Nicht-Leitung des Vatikans, der Konzilspäpste, geändert haben, erblicken Treugläubige (schwere) Gefahren für ihren Glauben. Und deshalb haben sie vor Gott das Recht, sich entsprechend zu schützen. Oberstes Gebot für einen Christen ist ja, alles zu tun, den Glauben nicht zu gefährden, nicht aufs Spiel zu setzen. Und so folgt, daß wenn ein Gläubiger in seiner Pfarrei durch das moderne, modernistische Treiben seiner "Geistlichkeit" einer Neuinterpretation seines Glaubens ausgesetzt wäre, er das Recht und sogar die Pflicht hat, sich dieser Gefahr zu entziehen. Und daraus folgt wiederum, daß er das Recht und die Pflicht hat, sich mit seinen (von ihm als solche erkannten) wahren Glaubensbrüdern zusammenzutun und den Gottesdienst und das Glaubensleben so zu gestalten, wie er es vor Gott als richtig, als am besten erkennt, und nicht so, wie es eine neue Wege diktierende Kirchenführung will!
Wer also etwas Zentrales unserer heiligen Religion markant reformiert, bzw. deformiert, was allzeit gleiche Gestalt und gleichen Gehalt hatte, der hat keinen Anspruch auf Gefolgschaft, auch wenn er mit dem höchsten Führungsamt betraut ist. Die katholische Meßliturgie (das Herzstück unseres Glaubens) nun ist durch den ganzen von uns Heutigen einigermaßen einsehbaren verflossenen Zeitraum bis zum II. Vatikanum (bis auf Nebensächlichkeiten) stets gleich geblieben! Deshalb gibt es keine menschliche Autorität auf der ganzen Welt, die eine Legitimation hätte, die Gläubigen und die Seelsorger, die Laien und den Klerus, von dieser höchstgeheiligten göttlichen Liturgie zwangsweise abzubringen. Paul VI. hat einen kapitalen, katastrophalen Fehler begangen, hat sich objektiv schwer verfehlt, als er den Novus Ordo Missae zwingend vorschrieb. Sowenig wie er z.B. den (unierten!) Orthodoxen je hätte befehlen können, daß sie ihre jahrhundertealte Liturgie modernisieren, an den lateinischen Ritus anpassen oder gar (jetzt) gänzlich zugunsten des postkonziliaren aufgeben, sowenig kann ein Papst den Angehörigen des Lateinischen Ritus den neuen, in fast allem geänderten und modernisierten befehlen! Und Johannes Paul II. als sein Nachfolger, begeht denselben schlimmen, verhängnisvollen Fehler, wenn er weiterhin darauf besteht, daß alle sich diesem liturgischen Diktat zu beugen haben, (abgesehen von ein paar Ausnahmen auf der Grundlage von schäbigen "Indulten")! Solange er die alte, altehrwürdige, aufs höchste kanonisierte ("tridentinische") Opferliturgie nicht völlig freigibt und damit wieder zu der ihr gebührenden Anerkennung und Ehre und möglichen Bevorzugung bringt, besteht der vorhandene Widerstand der sogenannten Traditionalisten, in welcher (angemessenen, christenwürdigen) Form auch immer, auch derjenige der Sedisvakantisten, zurecht. Und GOTT duldet ihn nicht nur, sonern er SEGNET ihn, Er erhält ihn und vermehrt ihn, bis dem Papst, irgendeinem Papst einmal, die Augen aufgehen, was wir alle hoffen und warum wir alle BETEN!
Das war die eine Seite der Problematik. Die andere aber ist das Neue, wie es sich inzwischen konsolidiert und etabliert hat. Wie ist es zu werten? Wie haben wir uns ihm gegenüber zu verhalten? Auch darin herrscht für die meisten keine Klarheit. Ich möchte dieser Seite darum diesmal mehr Gewicht geben. Wie stehe ich persönlich zu den konziliaren und postkonziliaren offiziellen Reformen?
Nun, was meine Wenigkeit betrifft, ich "schlucke", ich akzeptiere sie, insofern sie anhand der traditionellen katholischen Lehre und Praxis theologisch und pastoral (einigermaßen) zu rechtfertigen sind. Es ist nach meiner persönlichen Überzeugung nicht alles Neue schlecht, einfach weil es neu, noch nie dagewesen ist. Und es ist demgemäß auch nicht alles Alte gut oder immer noch gut oder immer noch besser, nur weil es früher gang und gäbe war oder als unübertrefflich galt. Viel Gewesenes bedurfte einer Reform. Viel Zeitbedingtes konnte (mit Vorteil) und viel Anachronistisches mußte (um - auf die Länge - Schaden zu vermeiden) an die neuen Gegebenheiten angepaßt werden. Es war nicht verboten, eine Liturgie zu schaffen und anzubieten, die dem besonders Rechnung trägt, was den heutigen Menschen allgemein (mehrheitlich) besser anspricht. Die Kirchenführung hat fraglos das Recht, ja sogar die Pflicht vor Gott, "die dem Wechsel unterworfenen Einrichtungen den Notwendigkeiten unseres Zeitalters besser anzupassen, zu fördern, was immer zur Einheit aller, die an Christus glauben, beitragen kann, und zu stärken, was immer helfen kann, alle in den Schoß der Kirche zu rufen" und deshalb "sich um Erneuerung und Pflege der Liturgie zu sorgen." (Konstitution über die hl. Liturgie", II. Vatikanum Einleitung) Aber sie hat kein Recht, einen jahrhundertelang von ganzen Völkern und Generationen ununterbrochen bis in unsere Zeit hinein segensreichst praktizierten und noch dazu (in der lateinischen Ritus-Kirche) (sozusagen) exklusiv vorgeschriebenen, natürlich und übernatürlich gewachsenen Ritus durch ein päpstliches Dekret und Bischofskonferenz-Erlasse zu verbieten! Sie mag Priester und Volk dazu einladen, die Liturgie nach (erprobten!) approbierten neuen Formen zu vollziehen. Aber sie kann und darf die geheiligten alten Formen nicht außer Kraft setzen und nicht verbieten und die ihr treu Verbundenen nicht ächten, bzw. ächten lassen! Hätte sie so gehandelt: hätte sie es jedem (Priester wie Laien) freigestellt, am Neuen teilzunehmen und/oder am Alten, je nach seelischem Bedürfnis, dann wäre das nicht geschehen, was jetzt geschehen ist. Die Besten hätten keine Veranlassung gehabt, das Vertrauen in die Vorgesetzten zu verlieren und das Neue zu beargwöhnen und sogar zu verurteilen. Da man das Neue zwangsweise an die Stelle des Alten gesetzt hat, war es vielen allein deswegen schon verdächtig. Einheit aber erwächst nicht aus Einheitlichkeit, aus Uniformität, aus Gleichschaltung. Einheit erwächst aus Geistes-Weite und Geistes-Tiefe, aus (gegenseitiger) Achtung alles Positiven!
Aber ist dies Neue nun nicht doch solcherart, daß man es als etwas Schlechtes, etwas Schädliches, ja den Glauben Zerstörendes betrachten muß? Ist die Messe, die Eucharistiefeier nach dem Novus Ordo Missae nicht intrinsisch (ihrer Wesensnatur nach) schlecht, wenn eventuell auch (mitunter) gültig?
Ich habe in Antworten auf Leserbriefe bereits mehrmals angedeutet, daß ich eine solche Auffassung nicht teile. (Vgl. auch meine Entgegnung auf den Brief von Bernhard Zaby in dieser Ausgabe!) Das vom Konzil, von Paul VI. und auch von Johannes Paul II. offiziell gutgeheißene und promulgierte Neue kann nach meiner persönlichen Überzeugung zurecht als etwas in vielem (leicht bis schwer) Mangelhaftes, aber nicht als etwas in sich Schlechtes, Negatives also Gottwidriges betrachtet werden. Sonst hätten die Konzilspäpste tatsächlich aufgehört, Päpste zu sein, bzw. wären es gar nicht erst geworden. Und somit wäre die Kirche Gottes (in ihrem sichtbaren Teil) seit 25 Jahren "kopflos"! Nein, hier muß man sich nun wirklich hüten, ins (andere) Extrem zu verfallen. Mißtrauen gegenüber dem Neuen, wohlan, das ist begreiflich und aufgrund aller notorischen Mißstände auch vertretbar. Sollen die die neuen Formen pflegen, die nach ihnen gerufen haben, die sich damit unschwer abfinden können oder sich in ihnen gar wohlfühlen. Aber sie allen einfach aufdrängen und aufzwingen, nur um einer so ohnehin nicht möglichen Einheit, bzw. Einheitlichkeit willen, nein, tausendmal nein! Wenn die Bischöfe unter der Leitung Roms dazu nicht imstande sind, den an den Hochformen der Liturgie hangenden besten Gläubigen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, dann haben sie eben ihren Kredit verspielt, sie und es! Das tut mir selber furchtbar leid. Aber ich vermag nichts dagegen. Wenn ich vor mir und vor aller Welt so täte, wie wenn ich ein Herz und eine Seele mit der Hierarchie wäre, es würde nichts fruchten. Ich will kein Heuchler sein! Und unsere Hirten, unsere Oberhirten sollten es auch nicht sein. Unsere Kardinäle, Bischöfe, Priester und führenden Laien zelebrieren aber vornehmlich Einheit mit dem Papst (soweit der Papst ihnen willfährt!). Sie haben keinen Mut, ihr eigenes Denken und Empfinden - wenn es (zugunsten der Traditionsverbundenen) abweicht von dem seinigen - zu verkünden. Sie haben keinen Mut, ihm ins Angesicht zu widerstehen, wenn sie selbst vor ihrem Gewissen, vor GOTT erkennen, daß sie es tun müßten. Sie verschanzen sich lieber hinter der bequemen Ausrede, "der Heilige Vater muß es ja besser wissen". Nein, der Heilige Vater muß es nicht besser wissen. Er hat von Christus nicht das Charisma empfangen, immer alles besser zu wissen. Sondern er hat von ihm die Sondergabe erhalten, mit höchster Autorität zu lehren und zu regieren. Aber natürlich nicht wie ein HERR, wie ein HERRSCHER, wie ein DESPOT (Willkürherrscher), sondern wie ein DIENER! ("Wer unter euch der Erste sein will, der sei euer Knecht." Matth. 20, 26, Markus 10,43, "Wer der Größte unter euch ist, werde vielmehr wie der Geringste, der Vorgesetzte wie der Diener." Lukas 22,26!)
Nun glaube ich, daß sie, daß Johannes XXIII., Paul VI. und auch Johannes-Paul II., das schon auch woll(t)en. Ich erkenne klar, daß sie DIENEN und nicht herrschen wollen. Ich empfinde die Art des Umgangs vor allem auch Johannes Pauls II. mit seinen Untergebenen, mit Klerus und Volk und allen Menschen weltweit, als wohltuend (entkrampft), als erfrischend unkompliziert, absolut nicht als herrscherisch. Aber genau das müßte nun auch übergreifen auf den Teil der Herde Christi, der seit dem Konzil so stiefmütterlich behandelt worden ist. Natürlich ist Erzbischof Lefebvre mit seinen Mitverantwortlichen rein kirchenrechtlich im "Unrecht" dem Heiligen Vater gegenüber. Die Exkommunikation hat er, der Papst, tatsächlich auch nicht (mutwillig) über sie verhängt. Er hat nicht "den Bannfluch gegen sie geschleudert", sondern er hat einfach öffentlich und amtlich festgestellt, daß er, daß sie durch ihre Tat sich selbst die Exkommunikation zugezogen haben. Und ihn ehrt (persönlich), daß er dies (bis zuletzt) einigermaßen zu verhindern trachtete. Aber er (mit seinen nächsten Mitarbeitern) hat nicht genug getan,vor allem offenbar nicht das Richtige zu richtigen Zeit. Aber es ist müßig, moralische Schuld zu verteilen. Ich habe schon wiederholt das Bekenntnis abgelegt, daß ich glaube, daß sie, sowohl Johannes Paul II., wie auch Erzbischof Lefebvre, moralisch absolut integer, ja heiligmäßig sein können, und daß es GOTT dennoch zulassen kann, daß sie einander in der Sache (lange Zeit) nicht näherkommen, ja meinen, einander Widerstand leisten und sogar bekämpfen zu müssen. Sie können auch beide tatsächlich gleichzeitig im Recht sein. Der Menschen Erkennen und Handeln ist Stückwerk! Der Papst hat Erzbischof Lefebvre voraus, daß er die höhere, die höchste Autorität hat. Erzbischof Lefebvre hat dem Papst voraus, daß er nichts anderes will, als das allzeit Gewesene bewahren, d.h. es sich (und den Seinen) nicht durch (verblendete) Amtswillkür entreißen zu lassen!
Nun hat Johannes Paul II. allerdings etwas getan, was seinen (unser aller) Forderungen entgegenkam: Er hat als erster Papst nach Vatikanum II und nach Inkraftsetzung der Liturgiereform die hl. Messe nach vorkonziliarem (tridentinischem) Ritus ein gutes Stück weit wieder erlaubt. Aber eben: wie oben bereits gesagt: dieses Entgegenkommen hat die Zweifel und den Argwohn (noch) nicht auszuräumen vermocht, weil es eindeutig zuwenig weit ging. Niemals kann es genügen, diese altehrwürdige Liturgie nur in einer "Nische", in einem "Verlies", in einer "Katakombe" zu "dulden", mit schäbigen, beschämenden Auflagen und Restriktionen! Niemals kann es akzeptiert werden, diesen Ritus zugestanden zu bekommen, "um ihn auslaufen zu lassen", wie es Kardinal Ratzinger einmal sagt. Das war der Kapitalfehler in seinem Pontifikat bisher, daß er es noch nicht eingesehen hat, daß für einen Großteil der katholischen Christenheit das heilige Meßopfer nach tridentinischem Ritus etwas so Unverzichtbares, etwas so Wesentliches bedeutet, daß sie alle, die vielen Tausenden, es sogar voziehen, ohne ihn, den Stellvertreter Christi, auszukommen, in der (Kirchen-)Verbannung zu leben, als diese Gottesdienstform aufzugeben! Und man glaube nur nicht, daß dies etwa wegen Erzbischof Lefebvre und seiner Priesterbruderschaft so sei. Auch wenn es ihn und sie nicht gäbe, wäre dem so. Hundertausend auf dieser Erde sind und bleiben dem altehrwürdigen Ritus treu verbunden. Da wird kein noch so hohes kirchliches Amt etwas dagegen vermögen, auch eine ganze Reihe von Päpsten nicht, auch ein eventuelles (gleichgeschaltetes) nächstes Konzil nicht! Es ist aber auch himmelschreiend ungerecht, daß Rom in dieser Zeit alles erlaubt und sogar fördert, was es da an Riten und Neuriten und Unriten weltweit gibt, sogar die abartigsten "Inkulturationen", und nur den einen, ausgerechnet den einen und einzigen heiligsten seit dem Konzil so verächtlich, so wegwerfend behandelt! Warum nur, warum!? Haben sie angt, ihr Reformwerk könnte hinweggeblasen werden, so wie um das Jahresende 1989 das mehr als 70jährige Reformwerk (Revolutionswerk) der (marxistischen) Kommunisten wie ein Dominospiel gefallen ist? Seht, so geht es, wenn man die Natur, die Natur der Dinge und der Menschen vergewaltigt! Die Liturgiereform war - so wie sie durchgeführt wurde - in weiten Teilen nichts anderes als eine Vergewaltigung der Gläubigen!
Vielleicht wird uns die Tatsache, daß jetzt der "Eiserne Vorhang" gefallen ist, zu Hilfe kommen. Die Liturgien der Kirchen des Ostens, ihre Einrichtungen und liturgischen Bräuche, ihre Überlieferungen und ihre christliche Lebensordnung sind ja zum Glück weitgehend unangetastet geblieben. "In diesen Werten von ehrwürdigem Alter leuchtet ja eine Überlieferung auf, die über die Kirchenväter bis zu den Aposteln zurückreicht. Sie bildet ein Stück des von Gott geoffenbarten und ungeteilten Erbgutes der Gesamtkirche. Für diese Überlieferung sind die Ostkirchen lebendige Zeugen" (Dekret über die katholischen Ostkirchen, Art. 1)
Und wenn man versuchen sollte, nun auch diese in den konziliaren Reformprozeß einzubinden und damit auch ihre altehrwürdigen Liturgien zu moderniesieren (umzufunktionieren), dann bleiben - zur Verhinderung einer Gleichschaltung - immer noch die Bastionen der nicht-unierten Ostkirchen, der vorchalkedonensischen und der chalkedonensischen Orthodoxie, die "kanonischen orthodoxen" Kirchen (die "autokephalen" und die autonomen" Kirchen) und schließlich die orthodoxen Kirchen, deren Kanonizität nicht überall anerkannt wird.
Aber ich unterstelle dem Papst und seinen Mannen eine solche Absicht nicht. Vielmehr habe ich soviel auf Gott abgestütztes Vertrauen auch in ihn und in sie, auch jetzt noch, auch noch nach allem, was bereits geschehen ist, daß ich nicht aufhöre zu hoffen, daß eine alle Seiten befriedigende Lösung möglich, realisisierbar ist. Dazu wären m.E. zwei Stoßrichtungen der Kirchenführung erforderlich: zum einen müßte der Heilige Vater seine Kommission "Ecclesia Dei" mit traditionsverbundenen Kräften verstärken und nochmalige, diesmal aber weitergehende, intensive Verhandlungen mit der Priesterbruderschaft St. Pius X. zwecks einer Versöhnung anberaumen. Zum zweiten müßte er gleichzeitig weltweit vor allem die Bischöfe und Priester zu einer Neubesinnung auf die vorkonziliare, auf die allzeitige Liturgie aufrufen, jedenfalls müßte er sie energisch, und das heißt mit persönlichem vollem Engagement, dazu anhalten, jene nicht mehr zu ächten, die zu dieser Liturgie halten. Die minimalste Lösung aber wäre die, daß er der Priesterbruderschat St. Pius X. freizügig einen Status verleihen würde, dem ähnlich, den jetzt die Priesterbruderschaft St. Petrus bereits besitzt, mit dem gewichtigen Unterschied allerdings, daß er dafür Erzbischof Lefebvre und seine Anhänger nicht dazu zwingt, das Konzil und die Konzils- und Postkonzilsreformen tels quels zu anerkennen und damit innerlich mitzuvollziehen und damit sich dafür (vor Gott und den Menschen) mitverantwortlich zu machen. Er müßte ihnen den notwendigen (und möglichen!) Differenzierungsspielraum zugestehen. Solange er mit seinen zuständigen Mitarbeitern in Rom darauf beharrt, daß alle alles, so wie es ist, und so wie sie es interpretieren, und so wie es bisher praktiziert wurde, anerkennen müssen, wird es keine Lösung geben. Je länger dieser trostlose Zustand dann aber dauert, desto schlimmer wird er werden.
Aber ich sehe noch die Möglichkeit, daß - wider allen Anschein - doch alles noch zu einem guten oder wenigstens passablen Ende kommt. Es sind ja letztendlich nicht die Menschen, die das abschließende Sagen und Entscheiden haben. Über ihnen waltet GOTT. Und ER hat uns die wunderbare Verheißung gegeben: "Fürchtet euch nicht"! "Die Pforten der Hölle werden SIE (die Kirche) nicht überwältigen"!
In diesem Sinn wollen wir weiterhin beten und wirken.
Paul O. Schenker, März 1990